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Kapitel 7

Author: Von Anonym

Auf dem Weg ins Krankenhaus bemerkte Nico endlich, dass Mia blutende Wangenverletzungen hatte. Er war bis dahin mit der Betreuung Helenas beschäftigt gewesen.

Im Krankenhaus bestand er trotz seiner stark blutenden Schulterwunde darauf, dass der Arzt zuerst Mias Gesichtsverletzung versorgte.

„Bald ist unsere Hochzeit! Meine Mia darf keine Narben im Gesicht haben!“

Anschließend wandte er sich schuldbewusst zu ihr und erklärte in Gebärdensprache:

„Schatz, das war alles meine Schuld. Ich habe Helena nur beschützt, weil sie meine Mitarbeiterin ist. Bitte sei mir nicht böse, ja?“

Mia antwortete nicht, sondern bat den Arzt, sich statt ihrer Wunde auf Nicos Schulter zu konzentrieren.

Schließlich würde sie eh nicht auf der Hochzeit erscheinen – da spielten Narben keine Rolle.

Nico deutete ihr Schweigen als Fürsorge und war sichtlich gerührt.

Als der Arzt das blutdurchtränkte Hemd aufschnitt, kam eine furchterregende Wunde zum Vorschein.

Erst jetzt sah Mia: Die Verletzung lag exakt über der kreisrunden Narbe von jener Stahlstange, die ihm vor fünf Jahren im Erdbeben die Schulter durchbohrt hatte.

Die alte Narbe war nun vollständig von der neuen Wunde überdeckt.

Eine plötzliche Gewissheit überkam sie: War dies ein Zeichen des Himmels, dass auch ihre Liebe bald der Vergangenheit angehören würde?

Vor dem Krankenhaus umklammerte Helena schluchzend ihre eigenen Schultern:

„Nico... könnte ich heute bei dir übernachten?“

Ihre ungewohnte Verletzlichkeit erweichte ihn. Vorsichtig fragte er Mia in Gebärdensprache:

„Mia... Frau Berg ist so verstört. Dürfte sie bei uns übernachten?“

Hastig fügte er hinzu:

„Nichts dahinter! Als Boss muss ich mich einfach um meine Angestellte kümmern.“

Bei seinem ängstlichen Blick gruben sich ihre Fingernägel in die Handflächen.

Wagte er es, diese Frau offen ins gemeinsame Heim zu bringen?

Ein bitteres Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.

Egal. Nach ihrem Auszug würde Helena ohnehin bald dort einziehen.

„Wie du willst.“

Während der Heimfahrt sprach Nico kaum mit Helena. Selbst wenn diese ihn ansprechen wollte, unterband er es mit einem Blick.

Mia schloss die Augen und lehnte sich ans Fenster – diese Schauspiele wollte sie nicht sehen.

Zu Hause wies Nico Helena trotz deren vorwurfsvollen Blicks dem Gästezimmer im Obergeschoss zu.

Im Schlafzimmer versorgte er Mias Wange mit Jod und Pflaster:

„Mia, ich weiß, du sorgst dich um mich. Aber warum lässt du die Wunde nicht versorgen? Bei einer Narbe würde mir das Herz brechen.“

Nach der Behandlung küsste er ihre Stirn.

„Ich werde dich nie wieder verletzen lassen! Heute handelte ich nur impulsiv, weil man meine Mitarbeiterin angriff.“

„Meine Mitarbeiterin zu demütigen heißt, mich selbst zu demütigen! Das dulde ich nicht. Das verstehst du doch, Schatz?“

Seine Erklärung klang logisch – doch Mia kannte die Wahrheit ihrer Beziehung. Sie sah die Besitzgier in seinen Augen.

Statt einer Antwort bat sie nur um Ruhe. Nico brachte wie immer ein Glas Milch, tätschelte sanft ihren Rücken und wiegte sie in den Schlaf.

Mitten in der Nacht weckte sie ein Donnerschlag.

Halb bewusstlos griff sie nach der Taille neben sich – doch fasste in leere Kühle.

Augenblicklich war sie wach.

Am unteren Ende der Treppe im ersten Stock hörte sie plötzlich ein lustvolles Stöhnen.

Sie erstarrte, kämpfte gegen die Bitterkeit in ihrer Brust an und schlich zur Gästezimmertür.

Die Tür stand sperrangelweit offen.

Im warmen gelben Licht sah sie zwei nackte, ineinander verschlungene Körper.

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