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Kapitel 8

Author: Von Anonym
Helena schlang ihre Arme um Nicos Nacken, ihr Gesicht überzog sich mit Röte, während ihr erstickte, kehlige Atemzüge entflohen.

„Nico, nein... ich halt’s nicht mehr aus.“

Nico vergrub sein Gesicht an ihrer Brust, seine Stimme war rau und belegt.

„Dieser Mann hat dich heute angefasst. Ich werde dich bis in die letzte Pore mit meinem Geruch durchdringen. Und ich bestimme, wann Schluss ist.“

Helena warf den Kopf zurück, keuchend.

„Stell dir vor, wenn Frau Stein das mitkriegt...“

Noch ehe sie den Satz beenden konnte, hielt Nico inne. Eisig funkelte er sie an.

„Sie ist taub. Sie bemerkt nichts. Und du darfst ihr etwas von uns nicht erzählen.“

Betrübt malte Helena Kreise auf seine Brust.

„Ich weiß. Aber wenn ich daran denke, dass sie bald deine Frau sein wird... während ich nur deine... deine heimliche Geliebte bin...“

Ihr kleinlauter Ton erweichte ihn. Er kniff sie sanft in die Wange.

„Du kleines Eifersüchtchen. Ich habe dich sogar mit hierher gebracht – und das genügt dir nicht?“

„Hab keine Angst. Selbst nach der Hochzeit bleibe ich bei dir. Du bekommst alles, was du willst. Was auch immer Mia bekommt – du wirst es ebenso erhalten.“

Erst jetzt erblühte wieder ein Lächeln auf Helenas Gesicht.

„Dann will ich, dass du bis zur Hochzeit jeden Tag bei mir bleibst.“

Nico zögerte zwei Sekunden, doch als er ihre bittenden Augen sah, nickte er.

„Gut.“

Helenas Augen blitzten auf. Sie beugte sich zu seinem Ohr, ihre Lippen streiften seine Haut.

„Und jetzt... jetzt will ich dich.“

Nicos Blick verdunkelte sich jäh. Er griff nach ihren Hüften, und ihre Körper verschmolzen erneut.

Draußen erhellte ein Blitzschlag Mias kreidebleiches Gesicht hinter der Tür.

Sie presste die Hand gegen den Mund, um kein Schluchzen loszulassen. Tränen verschleierten ihr Sichtfeld. Selbst die demütigenden Videos, die Helena ihr geschickt hatte, hatten nicht so tief verletzt wie dieser Augenblick.

Jenes Stöhnen, jene schamlosen Wörter – sie schnitten wie Glasscherben durch ihr Herz.

Drinnen wurden die Geräusche lauter. Mia konnte nicht länger ertragen. Sie floh.

In ihrem Zimmer kauerte sie zusammengerollt auf dem Bett, die Arme um sich selbst geschlungen. Keine Wärme erreichte sie.

Das widerliche Stöhnen hallte in ihren Ohren. Selbst als sie sich die Ohren zuhielt, verfolgte es sie.

Barfuß rannte sie die Treppe hinab, hinaus in den strömenden Regen.

Der Wolkenbruch prasselte auf sie nieder, doch sie spürte nichts. Hinter ihr wirkte das Haus wie ein schwarzer Schlund – sie musste fort, so weit wie möglich.

Taumelnd irrte sie durch leere Straßen. Durchnässt klebten ihre Kleider am Leib, die Augenlider wurden bleischwer.

Plötzlich schien der Regen nachzulassen.

Sie blickte auf – und sah den jungen Nico vor sich. Regenschirm in der Hand, sein Blick schwer von unendlicher Trauer.

„Mia... verlasse ihn. Verlasse mich – diesen Mann, der dich nicht mehr liebt. Vergib ihm niemals.“

Mit tränenverschleiertem Blick starrte sie in das Gesicht des Mannes, den sie einst so innig geliebt hatte.

Ja. Ich werde gehen. Und ich werde nie vergeben.

Erst im grauen Morgendämmerung schleppte Mia sich nach Hause.

Kaum hatte sie die nassen Kleider abgestreift und sich ins Bett fallen lassen, schob Nico leise die Schlafzimmertür auf.

Wie jeden Morgen stopfte er sorgfältig die Bettkanten fest, schob seinen Arm unter sie und zog sie an sich. Seine Lippen berührten ihre Stirn.

„Mia... ich liebe dich so sehr. In drei Tagen bist du meine Frau. Wir werden gemeinsam alt werden.“

Er sprach weiter, bemerkte nicht die einzelne Träne, die über Mias Wange rann.

Sie hatte einmal online gelesen: Plötzliche Zuneigung bei Männern ist meist nur die Reue nach einem Seitensprung.

Früher hatte sie das nicht verstanden. Jetzt verstand sie es mit schneidender Klarheit.

Sie wünschte sich nur noch, die Zeit möge schneller vergehen. Bis endlich der Tag ihrer Befreiung käme.

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