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Kapitel 3

Author: Lola
Papa, Mama und Conner eilten sofort zu ihr.

Als sie den roten, brandähnlichen Abdruck auf Ellas Handfläche sahen, gerieten sie in Panik.

„Auf der Party waren wir doch unter uns. Welcher Werwolf würde ein Geschenk aus Silber schicken?“

Mamas Augen musterten den Raum und blieben schließlich an einer geöffneten Geschenkschachtel hängen.

„Diese Geschenkschachtel… die ist doch von Sophie, oder?“

Bei Ellas Augen füllten sich sofort mit Tränen. „Mama, mach Sophie bitte keine Vorwürfe. Das Geschenk lag heute Morgen einfach auf meinem Nachttisch. Ich bin schon froh, dass sie mir überhaupt etwas schenken wollte.“

In einem Augenblick füllten Enttäuschung und Wut die Gesichter von Papa und Conner.

„Ich wusste es! Deshalb zögert sie auch so, nach Hause zu kommen. Sie hat einen Anschlag auf Ella geplant!“

„Wie kann ich nur so eine bösartige Schwester haben?“

„Genug! Schluss mit dem Streit, bringt Ella sofort zum Rudelheiler!“, brüllte Papa. Er trat wütend gegen die Geschenkschachtel – dieselbe, die Ella aus meinem Zimmer gestohlen hatte – und schlug mit der Faust auf den Tisch.

„Uns gehen die Mullbinden aus. Ich hol schnell neue aus dem Keller“, sagte Conner, bevor sie aufbrachen.

Ihre Augen huschten unruhig umher. Sie packte Conner am Arm. „Geh nicht! Der Heiler hat doch sicher Verbandmaterial. Es tut so schrecklich weh…“

Wenn Conner auch nur einen Schritt näher zum Keller gegangen wäre, hätte er den überwältigenden Gestank von Blut gerochen.

Doch es sollte nicht sein.

Auf Ellas Worte hin eilte die Familie davon. Nur mein Geist blieb zurück und schwebte im leeren Wohnzimmer.

Ich wollte schreien, dass ich nichts getan hatte.

Aber ich konnte keinen Laut mehr von mir geben.

Und ich wusste, selbst wenn ich könnte, würden sie mir nie glauben.

Also sei es.

Die Haushälterin, die den Lärm gehört hatte, kam heraus, seufzte und begann, das Chaos aufzuräumen.

„Sophie, warum bringen Sie es denn nie fertig, auf sich selbst aufzupassen?“

Mein Geist schwebte zurück in mein Zimmer. Als ich das Notizbuch auf meinem Schreibtisch sah, überschwemmten mich Erinnerungen.

Als ich zehn war, hielt unsere Familie die alle zehn Jahre stattfindende Blutlinien-Erweckungszeremonie ab. An diesem Tag würde sich der künftige Status und die Macht jedes Jungtiers im Rudel entscheiden.

Conner war als Erster dran. Seine Wolfsgestalt war tiefschwarz, ein Symbol der Macht und künftigen Führerschaft. Papa betrachtete ihn mit unverhohlenem Stolz.

Als Ella an der Reihe war, erschien ihre Wölfin in seltenem schneeweiß, mit einer natürlichen Aura des Friedens, die alle Rudelmitglieder um sie herum beruhigte. Mama hielt sie, nannte sie den Schatz der Familie.

Ich wollte meine Eltern nicht enttäuschen, also trat ich erwartungsvoll auf die Erweckungsplattform.

Doch als meine Wölfinsgestalt erschien, herrschte plötzlich Stille.

Meine Wölfin war nur eine gewöhnliche graue Wölfin.

Keine besonderen Fähigkeiten, keine seltene Fellfarbe, so gewöhnlich, dass ich in der Menge der Rudelmitglieder verschwinden würde.

Von diesem Tag an wurde ich die „Gewöhnliche“ der Familie, jemand, in den keine Ressourcen investiert werden sollten. Selbst nachdem ich die höchsten akademischen Auszeichnungen erzielt hatte, glaubten sie immer noch, dass Blutlinien alles bestimmten.

Conner und Ella genossen all die Bevorzugung und Ressourcen.

Und ich, wie die Blutlinie meiner Wölfin –

War gewöhnlich. Entbehrlich.
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