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Kapitel 8

Author: Jana
Nach einem Tag und einer Nacht im Bett gewann Anna endlich etwas Kraft zurück.

Heute war der Tag ihrer Abreise.

Der Flug ging um neunzehn Uhr. Sobald sie im Flugzeug saß, kam sie nie wieder zurück.

Bei Tagesanbruch stand Anna auf. Sie packte ihre Sachen und spendete alles an Wohltätigkeitsorganisationen.

Darunter waren auch alle Geschenke, die Maximilian ihr über die Jahre gemacht hatte: Kleider, Taschen, Schmuck... Sogar ihren Ehering behielt sie nicht.

Die wertvollen Sachen spendete sie für einen guten Zweck, die wertlosen verbrannte sie.

Wenn sie neu anfangen wollte, dann richtig. Von ihm würde sie nichts mitnehmen.

Nach dem Aufräumen war es Nachmittag geworden. Anna sah auf ihr Handy – drei Uhr am Nachmittag.

Noch vier Stunden bis zum Abflug.

Anna wollte sich gerade umziehen und zum Flughafen fahren, als Sophia sie aufhielt: „Anna Weber, was stehst du hier rum? Komm, wir müssen uns schminken lassen.“

„Schminken?“ Anna runzelte die Stirn. „Warum?“

„Stell dich nicht dumm.“ Sophia war genervt. „Heute ist doch euer Hochzeitstag. Mein Bruder sagt, als du ihn damals geheiratet hast, gab es keine Hochzeit, weil meine Eltern dagegen waren. Ihr habt nur die Papiere unterschrieben. Das tut ihm bis heute leid. Und wegen Victoria hat er dich zuletzt vernachlässigt. Deshalb will er dir zu eurem fünften Hochzeitstag eine richtige Hochzeit schenken.“

Falsch, das war definitiv falsch, dachte Anna. Das war eine Falle.

Sie waren seit fünf Jahren verheiratet, und er hatte nie eine Hochzeit erwähnt. Warum sollte er das ausgerechnet heute tun, nachdem Victoria zurück war?

„Was, du glaubst mir nicht?“ Sophia warf ihr einen verächtlichen Blick zu. „Dann ruf doch meinen Bruder an. Glaubst du, ich mache das freiwillig? Wenn mein Bruder mich nicht gezwungen hätte, würde ich mich nicht um dich kümmern.“

Anna glaubte es natürlich nicht und wollte Maximilian auch nicht anrufen.

Als sie wie ein Holzklotz dastand, verlor Sophia die Geduld. Sie wählte Maximilians Nummer und warf Anna das Telefon zu.

„Anna, ich weiß jetzt von deiner Mutter... Du hast in letzter Zeit viel durchgemacht. Lass mich das heute wiedergutmachen.“

Falsch, definitiv falsch. Maximilian würde nie so sanft mit ihr sprechen.

„Ich habe alles arrangiert. Geh mit Sophia und zieh dich um. Wir sehen uns... bei der Hochzeit.“

Falsch, falsch, alles falsch.

Annas Körper begann unkontrolliert zu zittern: Was hatte Maximilian vor? Warum wollte er ihr eine Hochzeit schenken? Was war sein Ziel?

Sie war sich sicher, dass alles falsch war.

Sie wusste genau, dass sie nicht geliebt wurde.

Aber als sie das Brautkleid anzog, das Maximilian für sie anfertigen ließ, begann Anna unwillkürlich zu wanken.

So sind Menschen eben. Obwohl sie wissen, dass es unmöglich ist, hoffen sie trotzdem. Was wenn? Was wenn es diesmal echt war? Sie hatte so lange Pech gehabt, vielleicht sollte sie einmal gewinnen?

Dann schaue ich mal nach, dachte Anna. Es ist ja noch Zeit.

Mit der Mentalität einer Spielerin ging sie zu einer Hochzeit mit einer Chance von eins zu zehntausend.

Um vier Uhr war sie geschminkt.

Um fünf Uhr kam sie am Veranstaltungsort an.

Anna öffnete die Tür zum Festsaal, und ein Eimer kaltes Wasser ergoss sich über sie.

„Hahahahaha!“ Gelächter ertönte. Hinter ihr lachte Sophia Tränen: „Anna Weber, du Idiotin! Du hast doch nicht wirklich geglaubt, mein Bruder würde dir eine Hochzeit schenken?“

„Hahahahaha, du Dummkopf! Heute ist Victorias Geburtstag. Das hier ist nicht deine Traumhochzeit, sondern Victorias Geburtstagsfeier!“

Der Saal war voller Menschen, alle waren zu Victorias Geburtstag gekommen.

Victoria war auch da, ebenfalls in einem Brautkleid. Genau das gleiche Modell wie Annas.

Nur ihres war nicht nass, sondern noch immer wunderschön und bauschig.

„Das Brautkleid hat mein Bruder eigentlich für Victoria anfertigen lassen. Schön, oder? Er will ihr heute einen Antrag machen.“

„Anna Weber, mein Bruder und Victoria sind die wahre Liebe. Du bist nur ein Clown in ihrer legendären Liebesgeschichte. Wenn du klug bist, verschwindest du von selbst. Wenn mein Bruder dich rauswirft, ist es noch peinlicher.“

Anna berührte ihr Gesicht und merkte, dass sie weinte.

Warum weinte sie?

Hatte sie nicht gewusst, dass es falsch war?

Anna Weber, du bist wirklich eine Idiotin. Nach all den Malen, die das Schicksal dich betrogen hat, fällst du immer noch darauf herein?

Du wusstest, dass es falsch war, und bist trotzdem gekommen... Was wolltest du beweisen? Wie erbärmlich du bist?

Anna drehte sich um und floh aus diesem erstickenden Ort.

Sie nahm ein Taxi und fuhr so schnell wie möglich zum Flughafen. Dort stürzte sie in die Toilette und begann, das Brautkleid von sich zu reißen.

Ausziehen, ausziehen, alles ausziehen!

Das Kleid war so eng, so erstickend.

Hilfe! Hilfe! Hilfe!

Sie hielt es nicht mehr aus. Alles war so erstickend, sie bekam keine Luft mehr. Sie musste sofort aus diesem verdammten Brautkleid raus, dann von hier verschwinden, für immer, ohne je zurückzublicken!

Endlich, nach wildem Zerren, war das Brautkleid in Fetzen.

Anna warf das weiße Kleid in die schmutzige Flughafentoilette, holte ein schwarzes Trägerkleid aus ihrer Tasche und zog es an.

Ihr Handy vibrierte wie verrückt. Anna sah nach – Maximilian hatte sie unzählige Male angerufen.

Seit sie ins Taxi gestiegen war, rief er ständig an. Über dreißig Anrufe.

Aber sie war zu sehr zusammengebrochen und hatte es nicht bemerkt.

Das Handy vibrierte weiter. Maximilian rief immer noch an.

Anna nahm die SIM-Karte heraus, brach sie entzwei und warf sie weg.

Es war fast sieben. Sie holte ihr Ticket, ging durch die Sicherheitskontrolle und bestieg das Flugzeug.

Eine Sekunde vor dem Start löschte sie alle ihre Social-Media-Konten.

Die Flugbegleiterin kam und bat sie, das Handy auszuschalten. Sie nickte lächelnd.

Das Display wurde schwarz, gleichzeitig hob das Flugzeug ab.

Anna lehnte sich in ihren Sitz zurück und schloss langsam die Augen.

Maximilian, ich sage dir nicht auf Wiedersehen.

Denn ich hoffe, wir sehen uns nie wieder.

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