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Kapitel 3

Author: Stachelline

Philipp warf mir einen kalten Blick zu, als er sah, dass ich aufstand.

„Na? Hast du das Theater endlich beendet? Jetzt kannst du also doch aufstehen?“

„Clara, wenn du kein Frühstück bringen willst, sag es doch einfach – du musst nicht so ein Drama veranstalten.“

Leon, der neben ihm stand, stimmte sofort ein:

„Mama, du hast mir doch immer beigebracht, ehrlich zu sein und nicht zu lügen …“

„Warum lügst du dann selbst?“

In einem Alter, in dem Kinder eigentlich noch naiv sein sollten, trafen mich seine Worte wie Eissplitter ins Herz.

„Na gut, wenn's dir wieder gut geht, fahren wir jetzt ins Krankenhaus.“

Im nächsten Moment war das große Haus wieder leer – nur ich blieb zurück.

Die Ohnmacht hatte ein dumpfes Pochen in meinem Kopf hinterlassen, der Schmerz, vorher nur schwach, wurde nun umso stärker.

Ich sah keinen anderen Ausweg – ich schluckte eine ganze Flasche Schmerzmittel, nur um den Körper irgendwie zu beruhigen.

Benommen ließ ich mich aufs Sofa sinken.

„Papa, meinst du, Tante mag Rosen? Sollen wir das Haus in ein Blumenmeer verwandeln?“

Leons aufgeregte Stimme riss mich aus dem Halbschlaf, und ich öffnete die Augen.

Es war immer noch taghell. Ich hatte tatsächlich einen ganzen Tag und eine Nacht auf dem Sofa verschlafen.

Offenbar waren Philipp und Leon die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen.

Ich richtete mich mühsam auf und wollte mir in der Küche etwas zu essen machen – da stellte sich mir Leon in den Weg.

„Mama, hast du das vergessen? Heute wird Tante aus dem Krankenhaus entlassen – wir feiern das gemeinsam!“

Feiern?

Niemand hatte mir davon erzählt. Ich wusste es nicht.

Philipp, der Leons Stimme gehört hatte, warf ihm einen kühlen Blick zu, bevor er sich mir zuwandte.

„Die Feier ist im Goldschuppen Grandhotel. Ich hole gleich Lena ab – du kommst bitte selbst nach.“

Kaum hatte er mir das gesagt, widmete er sich mit Leon wieder der festlichen Dekoration im Haus.

Ich hätte nie gedacht, dass Philipp – der sonst so unempfindlich gegenüber allem Romantischen war – ein so warmes Ambiente schaffen konnte.

Aber natürlich.

Ich bin eben nicht die Richtige für ihn.

An ihrer Familienfeier wollte ich nicht teilnehmen, also lehnte ich ruhig ab.

„Ich fühle mich nicht gut – ich komme lieber nicht mit.“

Philipp wollte offenbar auch nicht, dass ich ihre Harmonie störe, also nickte er nur.

Nach dem Frühstück legte ich mich wieder ins Bett.

Mein körperlicher Zustand wurde immer schlechter – nur im Liegen ließ sich das Unwohlsein ertragen.

Verschwommen hörte ich das Handy klingeln.

Benommen nahm ich ab und hörte Philipps Stimme.

Was er sagte, verstand ich nicht. Instinktiv legte ich einfach wieder auf.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging – da hallte plötzlich ein lautes Krachen durch das Haus.

Der Knall riss mich aus dem Schlaf.

Mit blutunterlaufenen Augen blickte ich zur Schlafzimmertür.

Philipp stand da, voller Wut, kam mit großen Schritten auf mich zu und riss mir die Decke weg.

„Clara Lindner, was denkst du eigentlich, wer du bist? Wir alle warten auf dich, und du liegst hier und schläfst?!“

„Wenn dir etwas nicht passt, dann sag es. Du musst dich nicht so aufführen!“

„Weißt du eigentlich, dass Lena wieder ins Krankenhaus musste – nur weil wir auf dich gewartet haben?!“

Seine Worte verwirrten mich völlig.

„Aufführen“?

Aber … ich hatte doch längst abgesagt.

Was zum Teufel redet Philipp da?

Noch ehe ich reagieren konnte, spürte ich, wie er mein Handgelenk packte und mit einem kräftigen Ruck zog.

Ein brennender Schmerz jagte durch meinen Körper, als hätte jemand einen glühenden Eisenstab über meinen Rücken gezogen.

Feuchtigkeit breitete sich auf meinem Rücken aus, und auf meiner sonst blassen Haut traten dunkle Blutstropfen hervor.

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