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Kapitel 7

Author: Reisnudel
Es war merkwürdig, denn normalerweise schrieb Luca kaum Nachrichten. Warum rief er sie dann an? Und so oft?

Als sie verdutzt nach Hause kam, strahlte die Hausangestellte: „Frau Schmidt, endlich sind Sie zurück! Herr Keller war fast außer sich vor Sorge, seit Sie weg sind. Keines unserer Gerichte hat ihm geschmeckt.“

Emma verstand sofort. Ach ja, dachte sie, er vermisst einfach meine Kochkünste.

Doch das würde er lernen müssen. Schließlich würde sich niemand mehr extra Kochbücher wälzen, nur um seine Lieblingsgerichte zu kreieren.

Während sie ihre Schuhe wechselte und ins Wohnzimmer ging, sah sie Luca finster auf dem Sofa sitzen, umgeben von einer düsteren Aura.

Bei ihren Schritten hob er langsam den Blick. Seine Augen zeigten tiefe Erschöpfung, doch als er Emma erblickte, flammte plötzlich ein Licht in ihnen auf.

Sofort sprang er auf, Sein Blick zeigte unverhohlene Wut: „Wo warst du?! Ich habe so oft angerufen! Warum gehst du nicht ran?“

Emma setzte sich aufs Sofa. „Ich war im Krankenhaus. Bin heute erst entlassen worden.“

Lucas Gesicht erstarrte. „Die ganze Zeit habe ich mich um Luna gekümmert,“ dachte er, „da habe ich den Unfall fast vergessen.“

Er hatte Ben geglaubt, dass Emma nur aus Eifersucht Theater spielte.

Er hatte ihre Verletzungen für leicht gehalten – nie hätte er gedacht, dass sie wirklich krank und sogar hospitalisiert war.

Ein Gefühl der Schuld und Reue zeigte sich in seinen Augen. „Ähm... bist du deswegen böse?“, fragte er unsicher. „Ich wusste nicht, wie ernst es war. Lunas Zustand war lebensbedrohlich – ich musste dich leider zurücklassen.“

In Emma stieg bittere Ironie auf:

Ich hatte Abschürfungen am ganzen Körper, sogar Blutungen – und er sah durch mich hindurch.

Aber Luna? Bloß weil sie Blutphobie hat, ist es plötzlich lebensgefährlich?

Doch rasch fand sie sich damit ab. Liebe zeigt sich durch Unterschiede in der Tiefe der Zuneigung, dachte sie. Das ist normal.

Außerdem verbindet uns ja nur ein Vertrag.

Sie antwortete knapp: „Hm.“

Als sie aufstehen wollte, fiel Lucas Blick auf die Papiere in ihrer Hand. „Seit wann interessierst du dich fürs Schreiben?“

Emmas Augen froren zu. Jedes Jahr zum Hochzeitstag schrieb sie ihm ein Gedicht. Er stopfte es achtlos in den Abstellraum – natürlich weiß er nichts von ihrer Schreiberei.

„Nur so nebenbei“, sagte sie gleichgültig.

Luca schwieg, sah sie aber an: „Ich habe seit Tagen kaum gegessen. Könntest du... dieses scharfe Schweinefleisch mit Chili machen?“

Emma deutete zum Kühlschrank. „Keine Zutaten da.“

„Dann gehen wir einkaufen!“, erwiderte er sofort.

In diesem Moment kam Luna die Treppe herab – Koffer in der Hand.

Kurz darauf folgte Ben. Er packte Lunas Hand und jammerte: „Luna, musst du gehen? Ben und Papa werden Sie sooo vermissen!“

„Sei nicht traurig, Ben! Heute Abend auf der Firmenfeier sehen wir uns doch wieder!“, tröstete Luna, bevor sie sich Luca zuwandte.

Ben zerrte ungeduldig an Lucas Arm: „Papa, steh nicht rum! Fahr Luna bitte!“

Luca zögerte. Er sah zu Emma: „Aber ich...“

Emma unterbrach ihn kühl: „Bring Frau Vogel. Sie braucht dich.“

Plötzliches Unbehagen durchfuhr Luca. Er zog Emma beiseite.

„Emma... diesen Winter gehen wir mit Ben nach Hokkaido.“

Seine Stimme war ungewohnt sanft. „Du wolltest doch immer hin. Gemeinsam. Als Familie.“

Emma blickte über seine Schulter hinweg auf Ben und Luna, die lachend miteinander spielten – als wären sie Mutter und Sohn.

„Vielleicht“, erwiderte sie leise. Schließlich geht sie bald. Dazu wird es nie kommen.

„Paaaapaaa, ins Auto!!!“, kreischte Ben. Luca spürte die Unruhe in sich, stieg aber widerstrebend ein.

Emma blieb zurück. Ihr Blick fiel auf das Datum im Kalender, und ein Lächeln glitt über ihr Gesicht.

Nach heute Abend ist sie endgültig frei vom Hause Keller.
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