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Kapitel 4

Author: Reisnudel
Luca erstarrte. In seiner Erinnerung hatte Emma so gut wie nie eine seiner Bitten abgelehnt, selbst die unvernünftigsten hatte sie stets erfüllt.

Selten hatte er ein „Nein“ von ihr gehört.

Luna lächelte selbstironisch: „Ich war wohl etwas unbedacht. Es ist schon viel verlangt, hier wohnen zu dürfen. Da sollte ich wirklich nicht auch noch erwarten, dass Frau Schmidt für mich kocht.“

Damit machte sie Anstalten zu gehen.

Ben begann daraufhin zu weinen und zu toben, während er weinend gegen Emma trommelte: „Böse Mama! Du darfst Luna nicht ärgern!“

Luca packte Luna hastig am Arm und fuhr Emma an: „Bist du immer noch sauer wegen heute Morgen? Ich sagte doch, Luna wollte sich nur eine Powerbank ausleihen! Was regst du dich über Kleinigkeiten auf?“

Emmas Gesicht blieb ausdruckslos.

„Mir geht es nicht gut. Ich habe keine Kraft zum Kochen.“

„Bist du krank, Mama?“

Ben schaute erst überrascht, dann verzog er angewidert sein Gesicht und hielt sich den Mund zu.

„Mama, warum sagst du das nicht früher? Wenn Frau Vogel sich bei dir ansteckt, weil du krank bist?“

Er zerrte an Lucas Ärmel: „Papa, wir müssen mit Luna zur Apotheke! Sie braucht Medizin. Zur Vorsicht!“

„Ben, das ist nicht nötig. Mir geht es gut.“

Doch Luca sah sie nur liebevoll an: „Hör auf Ben. Sei nicht so stur. Früher hast du bei jeder Erkältung mindestens zwei Wochen gebraucht, um wieder gesund zu werden.“

Hand in Hand verließen die drei das Haus.

Zurück blieben Emma und der erneut kalt gewordene Pfannkuchen.

Nach all den gemeinsamen Jahren…

Ihr eigener Mann und ihr leiblicher Sohn kümmerte sich nicht um sie, sondern wollten Medikamente für die gesunde Luna kaufen. Zur Vorsicht, dachte sie bitter.

Sie schüttete den Pfannkuchen weg und starrte einen Moment nur ins Leere.

Da kam eine Nachricht von Luca.

„Wir sind beim Supermarkt. Komm uns bitte mit dem Auto abholen.“

Als Emma ankam, waren nur Luna und Ben da.

„Luna, ich will Eis!“

Luna tätschelte Bens Wange: „Na klar. Wenn Ben Eis möchte, kaufe ich dir eins.“

Emma runzelte die Stirn und trat dazwischen.

„Ben, vergiss nicht, was der Arzt gesagt hat. Dein Magen ist empfindlich. Kein Eis.“

Bens freudestrahlendes Gesicht fiel in sich zusammen.

„Frau Schmidt, wenn das Kind Eis möchte, dann kaufen Sie ihm doch welches. So streng müssen Sie doch nicht sein.“

Emmas Miene verfinsterte sich: „Das ist eine Familienangelegenheit. Da muss sich Frau Vogel wirklich nicht einmischen.“

In diesem Moment kam Luca zurück.

Luna sah ihn mit vorwurfsvollem Blick an: „Luca, ich wollte Ben ein Eis kaufen, aber Frau Schmidt erlaubt es nicht.“

Emma erklärte mit fester Stimme: „Der Arzt hat erst gestern gesagt, Ben darf andere Snacks haben. Eis erst wieder, wenn es ihm besser geht.“

Luca, der keinen Kummer in Lunas Augen ertragen konnte, fuhr Emma eiskalt an:

„Je mehr du so bist, desto mehr wird dich das Kind nur hassen. Könntest du nicht wenigstens einen Löffel zulassen und den Rest selbst essen? Außerdem meinte Luna es nur gut. Du musst doch nicht gleich so streng sein!“

Es traf Emma wie ein Stich ins Herz. Dass Luca, nur um Luna zu verteidigen, die Gesundheit ihres Sohnes ignorieren würde.

Und er verletzte sie ausgerechnet in dem Punkt, der ihr am meisten bedeutete.

Ein bitteres Lächeln huschte über ihr Gesicht, doch sie widersprach nicht.

Plötzlich wurde ihr schmerzhaft klar:

Seit Lunas Rückkehr war sie hier die völlig Fremde.

Egal, wie viel sie gab – in ihren Augen würde sie Luna nie gleichkommen.
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