Kapitel 0002

Theo schien erst jetzt daran zu denken und am anderen Ende der Leitung herrschte eine kurze Stille.

Er wollte noch etwas sagen, doch das Telefon wurde ihm plötzlich von Erik aus der Hand gerissen.

„Elina, kannst du aufhören, dich so erbärmlich zu verhalten? Glaubst du etwa, jeder ist wie du und liebt es, Konkurrenz unter Frauen zu machen? Ich rate dir, nicht nach Ärger zu suchen! Du wirst den Arbeitsfortschritt von Herrn Günther und den anderen gefährden – kannst du die Verantwortung dafür übernehmen? Hör auf, ein Dummkopf zu sein und andere deinen Mist aufräumen zu lassen!“

Nachdem er das gesagt hatte, legte er auf.

Julia lehnte sich in Theos Arme, strich Erik sanft über den Kopf und sprach beruhigend:

„Beruhig dich, ihr wisst doch, wie Elina ist. Heute ist der wichtigste Tag in meinem Leben, sei brav, sei fröhlich~“

Mit diesen Worten hatte sie Erik schnell beruhigt.

Eine Gruppe von Menschen machte sich laut lachend auf den Weg in Richtung des Hauses.

Als das bunte Treiben sich legte und die stille Nacht sich senkte, blieb nur noch ich übrig.

Wie ein Clown, den niemand beachtet.

Ich öffnete mein Handy und vereinbarte einen Termin für eine Abtreibung.

Dann drehte ich mich um und ging fort.

Die Herzen, die ich fünfzehn Jahre lang verbergen wollte, blieben kalt.

Ich wollte sie nicht mehr.

Spät in der Nacht kam ich wieder in die Stadt.

Ich buchte ein beliebiges Hotel, duschte und schlief dann in einem Zustand der Trance ein.

In den frühen Morgenstunden jedoch weckte mich das dringende Klingeln meines Telefons.

Der leitende Mitarbeiter vom Fernsehsender sprach mit aufgeregtem und besorgtem Ton:

„Elina, ich habe gehört, dass es gestern in dem alten Dorf, in dem du dich aufhältst, ein Erdbeben der Stärke 5,3 gab. Du musst sofort los, um Material zu sammeln!“

Er sagte dies, ohne auf meine Antwort zu warten, und legte auf.

Ich konnte nur noch über diese Ironie schmunzeln. Hätte ich das gewusst, hätte ich die Reise besser gar nicht erst gemacht.

Ich erhob mich, als ob es mein Schicksal wäre, und öffnete mein Handy.

Doch dann stieß ich auf den neuen Post von Julia im Internet.

Es war nur ein Bild.

Auf dem Bild war Ruans Julias etwas kleinere, etwas weißere Hand, die von Theos markanten, knochigen Händen umschlossen wurde.

Beide trugen an ihrem Ringfinger die entsprechenden Eheringe.

Ich starrte auf die blasse Narbe auf dem Handrücken von Theo.

Mein lebloses Herz konnte sich nicht länger beherrschen und schmerzte.

Damals, als Theo 18 Jahre alt war, hatte er sich eine tiefe Wunde zugezogen, als er mich vor den Schlägen meines eigenen Vaters schützen wollte – eine Wunde, die von einem zerbrochenen Bierflaschenstück stammte.

Es war auch der Beweis, den ich immer für wahr gehalten hatte, dass er sich um mich kümmerte.

Nun aber stellte sich alles als meine eigene Einbildung heraus.

Das letzte Fünkchen Zuneigung in meinem Herzen verstarb endgültig.

Ich öffnete den Laptop, sortierte schnell das Interviewmaterial und bat meinen Anwaltfreund, eine Scheidungsvereinbarung zu entwerfen.

Als ich wieder im alten Dorf ankam, war es bereits ein Trümmerfeld.

Ich verstaute meine persönlichen Gefühle und kontaktierte mit schwerem Herzen und Mitleid die Rettungsdienste für die betroffenen Dorfbewohner.

Irgendwie schien dieses Erdbeben besonders verheerende Folgen zu haben.

Als ich auf die Sprengladungen blickte, die zur Felsenbearbeitung in der Nähe des neu renovierten Dorfes aufgestapelt waren, stieg in mir ein ungutes Gefühl auf.

Doch im nächsten Moment wurde ich plötzlich von hinten kräftig getreten.

Ich war völlig unvorbereitet und stürzte auf den zerbrochenen Boden, der durch das Erdbeben aufgeworfen wurde.

Meine Hände und mein Gesicht wurden sofort von scharfen Steinen aufgerissen, und ich spürte den Schmerz.

Die Stimme von Erik erklang hinter mir, seine Worte waren voll Wut:

„Elina, bist du ein Pflaster? Bist du wegen eines Skandals hierhergekommen?! Bist du verrückt?!“

Ich wusste nicht, seit wann Erik anscheinend vergessen hatte, wie grausam Julias Mutter unsere eigene Mutter zum Tod getrieben hatte.

Heute war er nichts weiter als ein Schoßhund von Julia.

Einen solchen Bruder wollte ich nicht mehr!

Schweigend stand ich auf, klopfte den Staub von meiner Kleidung und ging mit ausdruckslosem Gesicht auf ihn zu, um ihm kräftig eine Ohrfeige zu geben.

Erik drehte sich erschrocken zur Seite, starrte mich fassungslos an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ich diesmal zurückschlagen würde.

Bevor er reagieren konnte, sah ich ihn mit Abscheu an und sagte:

„Hör auf, dir etwas vorzumachen. Wenn du Julia so sehr magst, dann sei ruhig ihr Hund. Dieser Schlag ist von mir zurückgegeben. Von jetzt an haben wir nichts mehr miteinander zu tun.“

Ich ignorierte seinen zornigen Blick und drehte mich um, um die Interviews fortzusetzen.

Nicht weit entfernt näherte sich Theo, der Julia, die blass und erschöpft wirkte, stützte.

Ein flüchtiges Gefühl der Unsicherheit huschte über sein Gesicht, als er mich ansprach:

„Elina, ich habe dir gestern vergessen, zum Geburtstag zu gratulieren. Sobald ich mit der Ausgrabungsarbeit hier fertig bin, komme ich zurück und werde dir deinen Geburtstag nachfeiern...“