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Kapitel 2

Author: Kerstin Bollerjahn
Isabellas Perspektive

„Ich möchte keine Meeresfrüchte oder rohen Fisch essen.“

Als wäre ihm plötzlich etwas eingefallen, änderte Vincent seinen Tonfall: „Ach, stimmt ja! Du solltest wahrscheinlich kein Sashimi essen. Jetzt fällt es mir ein, du bist allergisch dagegen, oder?“

„Entschuldige, Isabella“, sagte Rosa und warf mir einen Blick zu. „Seit ich schwanger bin, habe ich ständig Lust auf Sashimi“, fügte sie mit einem leichten Achselzucken hinzu. „Aber wenn du keine Lust auf Fisch oder Meeresfrüchte hast, können wir auch in ein anderes Restaurant gehen, denke ich.“

Vincent zögerte, während er mich ansah. Er war offensichtlich unsicher, was er nun machen sollte. „Nun, wie wäre es, wenn wir hineingehen und Rosa auswählen lassen, was sie möchte. Und danach fahre ich dich dann in ein Restaurant, das du magst. Wäre das in Ordnung?“

Ich sah zwischen ihnen hin und her. Vincents Beharrlichkeit kam mir seltsam vor und Rosas vorgetäuschte Gelassenheit machte mich nur noch unsicherer.

Ich schwieg und ließ meine stille Ablehnung in der Luft zwischen uns verweilen. Würde er jetzt mit mir zu einem anderen Restaurant fahren, da er sich daran erinnert hatte, dass ich Meeresfrüchte und rohen Fisch hasste?

Aber die Zeit verging und Vincent sagte nichts. Sein Blick huschte zwischen Rosa und mir hin und her, während sein Gesicht seine Unentschlossenheit widerspiegelte.

Meine Geduld schwand allerdings. Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und winkte mir ein Taxi heran. „Vergiss es! Ich fahre zurück nach Hause und esse dann dort.“

Vincents Stimme folgte mir scharf. In ihr lag mehr Verärgerung als Sorge. „Isabella, mach doch bitte keine Szene! Wir sind in der Öffentlichkeit.“

Ich machte mir nicht die Mühe, zu antworten. Stattdessen öffnete ich die Autotür und warf einen letzten Abschiedsgruß über meine Schulter: „Genießt euer Essen!“

Dann stieg ich ein und schlug die Tür zu, bevor Vincent noch etwas sagen konnte. Der Taxifahrer hatte kaum Zeit zu fragen, wohin ich wollte, da gab ich ihm schon die Adresse der Villa. Meine Hände ballten sich auf meinem Schoß zu Fäusten und mein Herz pochte in meiner Brust. Nicht nur vor Wut, sondern aus einem viel hässlicheren Grund.

Vincent war mir nicht gefolgt. Er hatte es nicht einmal versucht. Das hätte mir eigentlich alles sagen müssen, was ich wissen musste.

Ich war Vincents Frau, seine schwangere Ehefrau! Aber seit er sich entschlossen hatte, Rosas Baby zu beschützen, waren mein Baby und ich für ihn unsichtbar geworden.

Dieses Baby war einst meine Hoffnung gewesen. Mein Traum, nach Jahren des Wartens. Aber jetzt glaubte ich das nicht mehr. Ich hatte einen Fehler gemacht. Ich hätte niemals schwanger werden wollen, wenn ich gewusst hätte, dass das Kind in eine Familie wie diese hineingeboren werden würde. In eine Familie, in der der Vater einem anderen Kind mehr Aufmerksamkeit schenkte als seinem eigenen Baby.

Vincent war gerade in unsere Villa zurückgekehrt, als ich dachte, ich könnte endlich etwas Ruhe finden. Er runzelte die Stirn und war sichtlich beunruhigt.

Sobald er mich sah, sank er vor mir auf die Knie und sprach, als würde er eine große, edle Sache erklären:

„Schatz, sei nicht sauer auf mich, ja?“

Vincent erzählte mir, dass auch er von Rosa überfallen worden war. Er hatte damals in seinem Auto gesessen und wegen eines Waffenhandels mit afrikanischen Partnern telefoniert, als Rosa plötzlich aufgetaucht war. Ihre Augen waren rot und geschwollen vom Weinen gewesen.

Er hatte keine andere Wahl gehabt, als sie zu trösten. Schließlich waren sie zusammen aufgewachsen. Sie war seine Jugendliebe und ihre Eltern waren mit Vincents Eltern befreundet.

Sie hatte ihm erzählt, dass ihre Eltern sie zu einer Abtreibung drängen würden, wenn sie von der Schwangerschaft erfahren würden. Sie wollte ihr Baby allerdings behalten.

Vincent konnte das nicht zulassen, also willigte er ein, ihr zu erlauben, ihn als Vater anzugeben. Zumindest vorerst. Anscheinend waren Rosas Eltern, als sie davon erfuhren, überhaupt nicht verärgert. Wer würde schließlich kein Baby wollen, dessen Vater Vincent Falcone war?

„Isabella, ich muss wirklich darauf vertrauen können, dass du mir in dieser Sache vertraust“, sagte er und machte eine lange Pause, bevor er fortfuhr. „Es wird so sein, als würden wir gemeinsam ein Leben retten.

Wenn ich ihr nicht helfe, wird Rosas Baby abgetrieben werden, sobald ihre Eltern sie nach Hause holen.“

„Und?“ Ich ließ ihn nicht ausreden. „Nur deswegen hast du dich entschieden, unser Baby vaterlos aufwachsen zu lassen? Ist es das? Also wird mein Kind ein Bastard sein und möglicherweise ohne eine Familie geboren, die es unterstützt?“

Vincent nahm meine Hände und drückte sie an seine Lippen. „Es tut mir leid, Isabella. Es dauert doch nur noch ein bisschen länger. Sobald Rosa entbunden hat, kann ich unser Baby mit nach Hause nehmen und es als mein eigenes anerkennen. Ich konnte doch nicht einfach danebenstehen und zusehen, wie Rosa leidet.“

Ich atmete tief ein. „Dann braucht unser Baby wohl nicht geboren zu werden.“

„Nein!“ Vincent stand auf. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt. „Warum kannst du das nicht einfach verstehen? Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich unser Baby anerkennen werde, sobald Rosas auf der Welt ist. Warum musst du so stur sein? Du gibst unser Baby nicht auf und ich werde auch mit Rosas helfen! Ende der Diskussion!“

Dann ging er einfach so, als wäre nichts geschehen.

Am nächsten Tag schickte Vincent ein Dutzend Bodyguards, um die Villa zu umstellen, und ein Dutzend Dienstmädchen, um mir zu helfen. Ich wusste, was er vorhatte. Er wollte mich genau beobachten, um sicherzustellen, dass ich nichts tat, was unserem Baby schaden könnte.

Er hatte Angst. Er nahm mir sogar mein Handy weg, um mir jegliche Fluchtmöglichkeit zu nehmen. Warum bestand er so sehr darauf, unser Baby zu bekommen, obwohl er sich bereits für Rosa entschieden hatte? Glaubte Vincent wirklich, dass ich so leicht zu beeinflussen war, dass ich ihn einfach machen lassen würde, was er wollte?

Mir war völlig egal, was er dachte. Ich war keine Marionette und würde mich ganz sicher nicht zurücklehnen und alles hinnehmen, was er mir vor die Füße warf.

Die Zeit verging. Ich saß zu Hause fest und „genoss“ laut Vincent meine Schwangerschaft.

Eines Morgens, nachdem ich gefrühstückt hatte, hörte ich, wie die Haustür geöffnet wurde. Rosa stand neben einer Frau, die ich nicht kannte.

Sobald die Frau mich sah, begann sie mit sarkastischen Bemerkungen. „Da sieht ja jemand ganz schön eingebildet aus. Warum klammerst du dich immer noch an deinen Titel, Frau Falcone? Du hast doch ganz offensichtlich eine Affäre mit einem anderen Mann. Und dann hast du dich auch noch dabei schwängern lassen. Wie schamlos bist du eigentlich?“

„Mein armes kleines Mädchen“, gurrte sie. „Du musst so sehr gelitten haben, Rosa.“

Diese Frau war Rosas Mutter? Was redete sie da? Warum war sie davon überzeugt, dass ich eine Affäre mit einem anderen Mann hatte und dabei schwanger geworden war?

Ich war mit Vincents Kind schwanger, nicht Rosa! Es war Rosa, die eine Affäre hatte und sich hatte schwängern lassen.

Ich sah zu, wie weitere Leute ihnen ins Haus folgten und Taschen und Kisten trugen. Rosa benahm sich, als gehörte ihr das Haus. Sie kommandierte die Dienstmädchen und Arbeiter herum, während sie ihr halfen, ihre Sachen in eines der leeren Zimmer zu tragen. Als sie fertig war, wandte sie sich mit einem grausamen Lächeln an mich.

„Isabella“, spottete sie. „Du dachtest, du hättest gewonnen, indem du Vincent geheiratet hast, nicht wahr? Aber sieh mich jetzt an! Ich stehe hier und werde in dem Bett schlafen, das er für diese Villa gekauft hat. Du bist ein Nichts, Isabella.“

Ich sah zu, wie sie lachte. Ihre Stimme triefte vor Bosheit. Ich konnte meine Wut nicht länger zurückhalten, marschierte Schritt für Schritt auf sie zu und schlug ihr mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, ins Gesicht.

Sie schrie, als sie auf das Sofa hinter ihr fiel.

Genau in diesem Moment kam Vincent herein und wurde Zeuge der Szene. Aber ich war noch nicht fertig mit Rosa. Ich hatte ihren Sarkasmus viel zu lange toleriert. Aber das bedeutete nicht, dass sie das Recht hatte, mich weiterhin zu provozieren.
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