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Kapitel 3

Author: Kerstin Bollerjahn
Isabellas Perspektive

Ich ging auf Rosa zu und war bereit, ihr noch eine letzte Ohrfeige zu geben. Vincent eilte jedoch herbei und hielt mich mit seinen Händen zurück. „Was machst du da?“

„Es ist alles meine Schuld, Vincent! Isabella hat jedes Recht, wütend auf mich zu sein. Zuerst habe ich dich gebeten, mit mir zur Schwangerschaftsuntersuchung zu kommen, und jetzt bin ich hier auch noch eingezogen.“ Rosa spielte wieder die Unschuldige. „Es ist alles meine Schuld. Ich sollte einfach wieder gehen. Ich hätte heute wirklich nicht kommen sollen.“

„Gut, dann geh jetzt aber auch!“ Dieser Gedanke schoss mir durch den Kopf.

Zu meiner Überraschung meldete sich Vincent zu Wort, der mich davon abhalten wollte, Rosa erneut zu ohrfeigen. „Da stimme ich dir zu. Du solltest jetzt wirklich gehen, Rosa! Ich werde meine Frau ganz sicher nicht hinauswerfen.“

Ich war etwas perplex. Nach allem, was passiert war, hatte ich eigentlich erwartet, dass er mich anschreien und mir sagen würde, dass ich das Haus verlassen sollte.

Auch Rosa sah sehr überrascht aus. Aber im nächsten Moment schaffte sie es, ein paar Tränen zu vergießen und sagte: „Aua, mein Bauch tut plötzlich so weh! Ist das Baby etwa wütend auf mich?“

Wieder einmal sah ich, wie Vincents ernster Gesichtsausdruck nachließ. Er wurde weich, für sie. Seine Hand schwebte über ihrem Bauch, als wäre sie das Zerbrechlichste auf der Welt. Das brachte mein Blut zum Kochen.

Die Art, wie er immer darauf ansprang, wenn sie die Opferkarte ausspielte, drehte mir den Magen um.

„Vincent“, sagte ich durch zusammengebissene Zähne. „Du glaubst ihr doch wohl nicht, oder?“

Aber er sah mich nicht an. Denn seine Aufmerksamkeit galt ganz Rosa. „Sie hat Schmerzen“, sagte er mit sanfter Stimme, als wären seine Worte nur für sie bestimmt. „Wir sollten die Situation nicht noch verschlimmern.“

Und so blieb Rosa in der Villa. Mein Zimmer wurde zu ihrem und ich sollte in das kleine Zimmer neben dem der Nanny im Erdgeschoss umziehen.

Vincent versuchte mich zu beruhigen und sagte: „Wir machen das nur so lange, bis sich ihr Magen beruhigt hat. Bevor du dich versiehst, wirst du wieder in deinem Zimmer sein. Dafür werde ich sorgen, okay?“

Wieder einmal wurde mir gesagt, dass ich einfach nur abwarten sollte. Aber Vincent war nicht klar, dass ich dieses Baby gar nicht mehr wollte.

Es wäre ein Kind, das ohne Vater an seiner Seite und ohne eine Familie, die es lieben und für es sorgen würde, geboren werden würde. Es gab keinen Grund, warum dieses Leben überhaupt auf die Welt kommen sollte. Es gab keinen Grund dafür, dass noch eine Seele in diesem Haus leiden musste.

Nach diesem dramatischen Einzugstag richtete sich Rosa in meinem Zuhause ein. Aber ich sah sie eigentlich nie. Es war fast, als hätte sich nichts geändert.

Während sie es wahrscheinlich genoss, nun in einer Villa zu wohnen, konzentrierte ich mich darauf, einen Weg zu finden, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten. Denn Vincent hatte mir mein Handy immer noch nicht zurückgegeben.

Ich versuchte sogar, mit Rosa zu verhandeln. Ich sagte ihr, dass ich diesen Ort für immer verlassen würde, wenn sie mir helfen würde. Das bedeutete, dass Vincent dann ganz ihr gehören würde.

Aber sie sah mich nur mit purer Verachtung an. „Du denkst, ich wollte Vincent? Gott, Isabella! Ich muss zugeben, manchmal bewundere ich dich fast. Wie weit du bereit bist zu gehen, wie perfekt unschuldig du dich gibst. Ich bekomme ja fast Mitleid mit dir.“

Ich hatte Rosa tatsächlich falsch eingeschätzt. Ich hatte gedacht, dass sie nur Vincent für sich haben wollte und mir daher helfen würde, von hier zu verschwinden. Aber ich hatte mich geirrt. Sie war nicht hinter Vincent her, sondern sie wollte die Kontrolle. Für sie waren wir nichts weiter als ein Spektakel. Eine Show, die sie zu ihrem eigenen Vergnügen verdrehen und manipulieren konnte.

Die Tiefe ihrer Intrigen übertraf alles, was ich mir je vorgestellt hatte. Sie ekelte mich wirklich an.

Jeden Tag kam Vincent nach Hause, sah nach Rosas Baby, benahm sich wie ein perfekter Vater und beschäftigte sich mit einem Kind, das nicht einmal sein eigenes war.

Aber wenn es um mich ging, klopfte er nur an meine Tür, sah, dass ich schon im Bett lag, und schloss sie leise wieder. Er sprach nie mit unserem Baby und verbrachte nie Zeit mit ihm.

Das Zimmer, in dem ich jetzt schlief, konnte sich nicht einmal mit den Unterkünften der Kindermädchen messen. Es war so klein, dass nur ein Bett hineinpasste. Es gab nicht einmal Platz zum Sitzen.

Alle Zimmer in der Villa wurden mittlerweile von Rosa beansprucht. Eines für das Baby, eines zum Tanzen, eines für ihren Computer und ihre Bücher, eines für ihre Kleidung und eines als Abstellraum.

Vincent lebte praktisch mit ihr zusammen und schlief auch im selben Zimmer wie sie. Er sagte, dass er ihr einfach nur durch die Schwangerschaft helfen wollte. Aber wer wusste schon, was sonst noch hinter diesen verschlossenen Türen vor sich ging?

Heute überraschte mich Vincent, indem er an meine Tür klopfte. Er zögerte, bevor er sprach: „Isabella, wie geht es dir? Willst du das Baby immer noch abtreiben? Du kannst mir vertrauen“, sagte er leise. „Ich liebe dich. Ich werde dich beschützen.“

Das war das erste Mal, dass Vincent mir gesagt hatte, dass er mich liebte. Aber ehrlich gesagt konnte ich nicht einschätzen, ob er es ernst meinte. Oder ob er nur versuchte, mich zu manipulieren, damit ich das Baby behalten würde.

Ich schloss die Augen, nahm all meinen Mut zusammen und sagte: „Ich werde dieses Baby bekommen. Aber …“

„Aber was?“

„Aber du musst mir mein Handy zurückgeben. Du weißt, dass ich in diesem Haus niemanden habe, mit dem ich reden kann. Ich fühle mich einsam und das ist nicht gut für das Baby.“

Vincent zog mich in seine Arme und sagte glücklich: „Ich werde dir alles geben, was du willst. Sorge einfach dafür, dass unser Baby glücklich ist, okay?“

Ich hatte mein Handy zurück! Endlich konnte ich wieder leichter atmen. Denn ich wusste, dass ich nun die Möglichkeit hatte, jeden zu kontaktieren, den ich wollte.

Niemand wusste, dass ich von meiner Familie nur adoptiert worden war. Von der Familie, die Vincent kannte. Ich hatte allerdings vor zwei Jahren meine leiblichen Eltern gefunden. Aber damals war ich noch in Vincent verliebt gewesen. Außerdem waren wir ja auch verheiratet. Ich konnte nicht einfach so gehen.

Sie waren damals sehr traurig, als ich nicht mit ihnen mitging. Aber sie hinterließen mir eine Telefonnummer und sagten: „Isabella, wenn du jemals unglücklich bist oder uns einfach nur vermisst, dann ruf diese Nummer an. Wir kommen dich dann sofort abholen!“

Ich hätte nie gedacht, dass ich diese Nummer jemals wählen würde. Aber jetzt war ich mir sicher, dass sie meine einzige Hoffnung waren.

Meine Adoptivfamilie hatte mich zwar gut behandelt, aber für sie war es trotzdem immer wichtiger gewesen, Vincent glücklich zu machen, als mich zu unterstützen.

Im achten Monat ihrer Schwangerschaft sagte Rosa plötzlich, sie wolle umziehen. Sie wollte in die Nähe eines Strandes, um dort die letzten zwei Monate ihrer Schwangerschaft zu verbringen.

Vincent wollte zunächst bleiben. Aber wieder einmal gab er Rosas Forderungen letztendlich nach. Vor allem, nachdem sie ihm versprochen hatte, dass es ihrem Baby guttun würde.

Bevor sie abreisten, kam Vincent ein letztes Mal zu meinem Zimmer. „Ich werde zurück sein, bevor du entbindest. Wirst du auf mich warten? Ich weiß, dass ich eine Grenze überschritten habe“, fuhr er fort. „Aber ich verspreche dir, dass ich es wieder gutmachen werde. Isabella, bitte vertrau mir! Ich liebe dich.“

Was auch immer er sagte, ich lächelte nur und nickte.

Dann rief Rosa nach ihm und Vincent wandte sich zum Gehen. Aber diesmal schien er zu bemerken, dass etwas mit mir nicht stimmte. Ich war beunruhigend still.

Er zog mich in eine feste Umarmung, die mich fast erstickte. „Sag nur ein Wort, Isabella! Nur ein Wort und ich werde nicht gehen!“

Ich ließ mich von ihm umarmen, aber tief in meinem Inneren fühlte ich nichts mehr. Weder seine Worte noch seine Umarmung bedeuteten mir noch etwas.

„Du solltest jetzt gehen, Vincent“, flüsterte ich. „Wenn du bleibst, wirst du nicht mehr der Mann sein, den ich geheiratet habe.“

Vincent bewegte sich immer noch nicht. Aber ich war gerade nicht in der Stimmung, seine Spielchen mitzuspielen.

„Na gut. Wie wäre es, wenn du diese Schlampe und ihre Sachen aus unserer Villa schaffst?“ Ich sah, wie Vincent blinzelte. Er war von dem scharfen Unterton in meiner Stimme vollkommen überrumpelt. Aber ich wartete nicht auf seine Antwort. Stattdessen spottete ich: „Das ist es, was ich will! Wenn du es nicht tun kannst, dann sag nicht so etwas! Ich habe deine leeren Versprechungen satt!“

Damit drehte ich mich um und ging direkt ins Badezimmer.
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