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Mit seinen Erben fort
Mit seinen Erben fort
Author: Jasmin

Kapitel1

Author: Jasmin
Der Anwalt teilte mir mit, dass mein Mann – mit dem ich acht Jahre verheiratet war – bereits seit einem Jahr von mir geschieden habe. Rechtlich gesehen war er also längst der Ehemann einer anderen.

Ich erstarrte.

Lange Zeit stand ich da, unfähig, es zu begreifen. Ich wollte dieses Ergebnis einfach nicht glauben.

Da ertönte ein Klingeln – eine Nachricht von Lukas:

„Baby, ich bin heute zurück in Deutschland. Ich habe dir die neue Handtasche gekauft. Ich muss noch eine Kleinigkeit in der Firma erledigen, dann bin ich gleich bei dir.“

Als ich diese Nachricht las, durchbohrte mich die Lüge wie ein Messer.

Früher hätte ich mich über so eine Nachricht gefreut. Lukas brachte mir nach jeder Geschäftsreise ein Geschenk mit.

Doch diesmal stand ich selbst in der Eingangshalle des Flughafens – ich wollte ihn überraschen.

Aber die Überraschung wurde zum Schock.

In der Ferne erkannte ich seine vertraute Gestalt.

Er war groß und stattlich, und der schwarze Anzug unterstrich seine imposante Erscheinung.

Doch sein Blick war voller Zärtlichkeit – nicht für mich, sondern für die Frau an seiner Seite, die er behutsam stützte.

Ihr Bauch war rund, und ihr Gesicht strahlte vor Glück.

Es war Anna Sommer.

Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, mein ganzer Körper zitterte.

Lukas und ich waren zusammen aufgewachsen – achtundzwanzig Jahre, ohne je voneinander getrennt zu sein.

Ich hatte geglaubt, unsere Liebe sei unerschütterlich.

Aber jetzt erkannte ich: Diese sogenannte Zuneigung war ein vergiftetes Geschenk.

Vor einem Jahr war unsere Heiratsurkunde verloren gegangen. Lukas hatte gesagt, sein Assistent würde sich um ein Duplikat kümmern. Ich erinnere mich, damals hatte ich etwas unterschrieben – vermutlich war das in Wahrheit die Scheidungsvereinbarung.

Bei diesem Gedanken fühlte ich einen stechenden Schmerz im Herzen, als würde eine Nadel hineinstechen.

Ich presste den Blumenstrauß, den ich für ihn vorbereitet hatte, so fest, dass sich meine Nägel in die Handfläche bohrten.

Ich sah ihn noch einmal an, drehte mich um und warf die Blumen in den nächsten Mülleimer.

Zuhause angekommen, fühlte ich mich leer – als hätte jemand meine Seele aus meinem Körper gezogen.

Ich ging ins Bad und nahm wie ferngesteuert einen Schwangerschaftstest zur Hand.

Als ich die zwei Linien sah, dachte ich nur: Das Schicksal spielt grausame Spiele.

Vor drei Monaten war ich allein ins Krankenhaus gegangen – zum zwölften Versuch einer künstlichen Befruchtung.

All die Jahre hatten wir keine Kinder bekommen. Lukas hatte immer gesagt, das spiele keine Rolle, er würde mich auch ohne Kinder lieben.

Die vorherigen Versuche der künstlichen Befruchtung waren alle gescheitert.

Jedes Mal verwandelte sich meine Hoffnung in Enttäuschung.

Doch in meinem Herzen blieb eine Leere – ich hatte mir so sehr ein Kind von ihm gewünscht.

Als er vor einem halben Jahr auf Geschäftsreise war, hatte ich mit den eingefrorenen Proben einen letzten Versuch gewagt.

Gestern hatte mir der Arzt gesagt, dass es diesmal geklappt hatte – und dass beide Babys gesund waren.

Zwillinge. Ein Junge und ein Mädchen.

Ich hatte geplant, es ihm an unserem Hochzeitstag zu sagen – als Überraschung.

Aber jetzt wusste ich, dass er längst der Vater von Annas Kind war.

Kein Wunder, dass ihm meine Kinderlosigkeit nie wichtig gewesen war – er hatte längst eine andere Familie.

Da hörte ich Schritte vor der Tür. Lukas kam herein.

Ich wischte mir schnell die Tränen ab, versteckte den Test und schob ihn unauffällig in die Tasche.

„Baby, warum hast du nicht geantwortet? Ich dachte schon, dir sei etwas passiert. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.“

Er eilte zu mir, sein Gesicht voller Besorgnis.

Ich senkte den Kopf, vermied seinen Blick.

Früher, als wir uns einmal gestritten hatten und ich absichtlich nicht geantwortet hatte, hatte er sogar einen Hubschrauber geschickt, um mich zu suchen.

Diese Liebe existierte nur noch in der Erinnerung. Jetzt galt seine Sorge wohl einer anderen Frau.

„Ich … war mit einer Freundin unterwegs. Mein Handy war leer“, brachte ich mühsam hervor.

Er zog mich sanft in seine Arme, sein Kinn berührte meinen Kopf, und seine Stimme klang tief und liebevoll.

„Mach das nie wieder. Du weißt, ich kann nicht ohne dich.“

Ich stand steif in seiner Umarmung, das Herz schwer wie Stein.

Dann klingelte sein Handy.

Ein Blick auf das Display ließ seine Miene gefrieren.

„Liebling, ich gehe kurz ran.“ Er löste seine Umarmung, drehte sich um und ging auf den Balkon.

Ich hob den Kopf und sah seinem sich entfernenden Rücken nach; ein stechender Schmerz durchfuhr mich.

Ein paar Minuten später kam er hastig zurück, griff nach seinem Mantel und sagte: „In der Firma ist etwas Dringendes, ich muss kurz weg, ich bin gleich zurück.“

Ich sagte nichts, nickte nur stumm.

Mit einem dumpfen Pong schlug die Tür zu, und Lukas verschwand vollständig aus meinem Sichtfeld.

Ich warf den Schwangerschaftstest in den Mülleimer; Tränen liefen erneut über mein Gesicht.

Mein Kind, verzeih mir – Mama kann dir kein vollständiges Zuhause geben. Aber Mama wird dich lieben und dir alles geben, was sie kann, dachte ich.

Eine Woche später, nachdem die Erbangelegenheiten geregelt und mein Reisepass ausgestellt worden waren, verließ ich endgültig das Land – zusammen mit meinen beiden Kindern.

Ich wollte das Glück von Lukas und Anna sowie deren Kind nicht stören.

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