Share

Kapitel 2

Author: Schnecke
Sam sagte mit fester Stimme zu Lily:

„Mach dir keine Sorgen. Ich werde nicht zulassen, dass jemand unsere Tochter mitnimmt.“

Die beiden standen sich sehr nah – wie ein echtes Gefährtenpaar. Während ich aussah wie diejenige, die sich zwischen zwei Menschen gedrängt hatte, die längst zusammengehörten.

Kurz darauf zog Sam Lily mit sich die Treppe hinauf. Erst da stieg ich langsam aus dem Wagen und folgte ihnen hinauf in die zweite Etage.

Vor dem Büro am Ende des Flurs hatte sich bereits eine Gruppe Mitarbeiter versammelt, die leise tuschelten – aber ich konnte jedes Wort hören.

„Ist das das Kind, das Alpha Sam adoptieren will? Es sieht ihm wirklich ähnlich.“

„Natürlich, sie ist seine leibliche Tochter. Der Alpha hat das alles längst geplant: Er hat seine eigene Tochter als Waisenkind ausgegeben, damit sie offiziell zu ihm zurückkehren und seine Erbin werden kann.“

„Oh Gott… Wer ist denn die Mutter? Bestimmt nicht Echo, oder?“

„Echo kann keine Welpen bekommen. Als Jungwolf soll sie sich verletzt haben – das hat ihre Fruchtbarkeit zerstört.“

„Quatsch. Ich hab gehört, sie hatte früher ein wildes Leben, viele Abtreibungen – deshalb ist sie jetzt unfruchtbar. Wäre das nicht so, hätte der Alpha doch nie diesen Aufwand betrieben, sein eigenes Kind zur Adoption freizugeben.“

„Stimmt. Lily ist Sams wahre Liebe. Schon als Kinder war klar, dass die beiden füreinander bestimmt sind. Schau nur, wie gut sie zusammen aussehen!“

Die Stimmen dieser Menschen stachen wie silberne Dolche direkt in mein Herz.

Fünf Jahre lang war ich an Sams Seite – doch ich wurde nie schwanger. Er hatte mich immer liebevoll getröstet und gesagt, Kinder seien ihm nicht wichtig, solange er nur mich an seiner Seite habe.

Jetzt wusste ich, dass er längst einen Plan B gehabt hatte: Lily sollte ihm ein Kind schenken, das er dann offiziell adoptieren würde.

Mein Herz schmerzte so sehr, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Ich lehnte mich kraftlos gegen die Wand.

Plötzlich öffnete sich die Bürotür. Sam trat heraus, hielt Kitty auf dem Arm und hatte Lily an der Hand.

Als er mich sah, huschte ein Ausdruck von Panik über sein Gesicht.

„Hi, Echo. Lange nicht gesehen.“

Lily begrüßte mich mit der Hand, die Sam nicht hielt.

Sofort ließ er Lilys Hand los und eilte zu mir.

„Echo? Was machst du denn hier?“

Er sprach schnell, als wolle er etwas ausbügeln.

„Mach dir keine Gedanken. Lily arbeitet hier im Waisenhaus als Pflegerin. Sie kümmert sich um alle Welpen. Ich bin heute nur hier, um über Kittys Adoption zu sprechen…“

Er blickte auf das kleine Mädchen in seinen Armen und hielt sie mir hin.

„Das ist Kitty. Schau sie dir an – ist sie nicht süß? Sie ist das bravste Kind im ganzen Waisenhaus!“

Ich nickte und strich sanft über ihre Wange.

„Sie sieht dir wirklich ähnlich. Hättest du mir nichts erklärt, ich hätte gedacht, sie wäre deine leibliche Tochter.“

Der Duft des Mädchens war unverkennbar – er trug sowohl Sams als auch Lilys Geruch. Es war unmöglich, das zu ignorieren.

Sam wollte gerade etwas sagen, da begann Kitty laut zu weinen.

„Gib sie mir.“

Wann genau Lily wieder an seiner Seite aufgetaucht war, wusste ich nicht – aber sie nahm Kitty geübt in die Arme.

Kitty schmiegte sich sofort an sie, murmelte leise:

„Mama…“

Sam wurde augenblicklich blass. Ich konnte seinen nervösen Schweiß riechen.

„Bitte versteh das nicht falsch“, sagte er hastig. „Lily arbeitet hier, sie ist bei den Kindern sehr beliebt. Viele nennen sie einfach Mama. Ich werde Kitty das langsam abgewöhnen, sobald die Adoption durch ist.“

Ich sah ihn an, wie er sich umständlich erklärte – und in mir stieg eine stille, tiefe Traurigkeit auf.

Hatte er Angst, mich zu verletzen? Wenn er mich wirklich liebte – warum hatte er mich dann so belogen? Warum machte er mich, seine rechtmäßige Gefährtin, zu einer bloßen Nebensache?

Und warum wollte er ein Kind adoptieren, das nicht von mir war – wissend, dass mich das in den Mittelpunkt von Tratsch und Spott stellen würde?
Continue to read this book for free
Scan code to download App

Latest chapter

  • Vertrag mit dem Alpha   Kapitel 11

    ECHOS SICHTDas Markierungsritual fand auf Toms weitläufigem Anwesen statt. Ich trug ein schimmerndes, eng anliegendes Fischschwanzkleid, das in fluoreszierendem Licht glitzerte – und betrat damit den Saal.Staunen und Neid lagen in der Luft.„Oh mein Gott! Das Kleid ist mit 999 Mondlichtsplittern besetzt – handgenäht, ein ganzes Jahr hat es gedauert!“„Der Alpha verwöhnt sie aber auch wirklich… und seine Gefährtin ist wunderschön!“In meinen Händen hielt ich einen Strauß seltener Blutmondrosen und schritt langsam auf Tom zu.Es war das zweite Mal, dass ich so gekleidet an einem Ritual teilnahm. Beim ersten Mal war ich kläglich gescheitert.Aber diesmal… war ich bereit, das Glück festzuhalten?Meine Schritte wurden langsamer, ein Moment des Zögerns überkam mich. Ich hatte beinahe das Bedürfnis, einfach umzukehren.„Echo.“Tom stand vorne, die Finger leicht angespannt, nervös.Er richtete seine Krawatte und trat dann mit festen Schritten auf mich zu.„Echo, ich weiß, du trägst noch vie

  • Vertrag mit dem Alpha   Kapitel 10

    SAMS SICHT„Alpha, wir haben herausgefunden, dass sich Echo aktuell im Scharfzahn-Rudel aufhält.“Scharfzahn-Rudel?“Ich runzelte die Stirn – der Name ließ mich aufhorchen. Sofort musste ich an Alpha Tom denken. Der Mann, den Echo damals als möglichen Bündnisgefährten abgelehnt hatte, um bei mir zu bleiben.Seine Macht im Süden war nicht zu unterschätzen, seine Familie hatte sogar einmal königliches Blut geführt.Ich kannte ihn nicht persönlich. Sein Hintergrund war immer irgendwie nebulös gewesen – verborgen, undurchsichtig.„Echo hat damals ihretwegen die Verbindung zu ihm gelöst – und jetzt ist sie plötzlich bei ihm?“Unruhe kroch mir durch die Adern.Meine Zuversicht, sie zurückzuholen, begann zu bröckeln.Gegen Alpha Tom? Da hatte ich keine wirkliche Sicherheit mehr.Aber aufgeben kam nicht infrage. Ich musste es versuchen – koste es, was es wolle.Keine Stunde später kam mein Beta mit einer neuen, brisanten Information:„Tom heiratet. Das Markierungsritual findet in drei Tagen st

  • Vertrag mit dem Alpha   Kapitel 9

    ECHOS SICHTDass Sam so auffällig und lautstark nach mir suchen ließ, blieb nicht unbemerkt – die Nachricht erreichte schon bald das Scharfzahn-Rudel.Ich saß derweil mit Tom, dem Alpha des Scharfzahn-Rudels, in einem der bekanntesten Restaurants des Südlands und genoss ein köstliches Essen.Tom war der potenzielle Bündnisgefährte, den mein Vater mir vorgeschlagen hatte. Er war sanft, rücksichtsvoll – und in meiner Gegenwart wie ein folgsamer, großer Hund.Ich hatte nur einmal erwähnt, dass ich dieses Restaurant mochte – dabei war es so beliebt, dass selbst der Wolfskönig monatelang hätte warten müssen.Tom hatte es daraufhin kurzerhand unter meinem Namen gekauft. Nur damit ich jederzeit hier essen konnte.Mehr als einmal hatte mich seine finanzielle Macht und sein Einfluss beeindruckt.„Echo“, sagte Tom beiläufig, während er mir sorgfältig das Steak in mundgerechte Stücke schnitt, „dieser Alpha mit seinem erbärmlichen kleinen Territorium versucht immer noch, etwas über dich herauszufi

  • Vertrag mit dem Alpha   Kapitel 8

    Lilys Augen waren inzwischen nur noch von Angst erfüllt. Ihre Stimme zitterte, als sie mühsam hervorbrachte:„Sam… bitte, lass mich erklären…“Doch mein Beta hatte inzwischen ihr Handy entsperrt – und den Chatverlauf mit Echo geöffnet. Sogar gelöschte Fotos und Videos hatte er wiederhergestellt.„Alpha, Lily hat Echo zahlreiche provozierende Nachrichten und Bilder geschickt. Und hier ist ein gelöschtes Überwachungsvideo...“Ich nahm das Handy, blätterte durch die Nachrichten, die Bilder –jede einzelne Zeile, jedes Foto traf mich wie tausend Nadeln in die Augen.Und dann das letzte Video, aufgenommen im Speisesaal der Villa – traf mich wie ein eisiger Schlag.Lily zwang Echo, ein Stück Brot zu essen, das sie mit Wolfswurz vergiftet hatte.Je mehr ich sah, desto kälter wurde mir.Das Brot – es war wirklich vergiftet gewesen.Und die Verletzung an Lilys Brust? Ein abgekartetes Schauspiel, um Echo reinzulegen.Ich erinnerte mich an diesen Tag – wie ich Echo nicht nur nicht glaubte, sonder

  • Vertrag mit dem Alpha   Kapitel 7

    Am nächsten Morgen war der Garten hinter der Villa voller Leben. Gärtner wuselten durcheinander, arbeiteten konzentriert daran, die frisch aus dem Dunkelwald geholten Mondlichtrosen in das Beet einzusetzen – mit äußerster Vorsicht, als hielten sie kostbare Edelsteine in Händen.„Wie schön sie sind!“, hörte ich jemanden staunen.„Die Mondlichtrosen gehören zu den seltensten Pflanzen im Dunkelwald. Ich hab schon gehört, dass der Alpha seine Gefährtin über alles liebt – aber das hier… ist mehr als nur Liebe.“„Du lebst echt hinterm Mond“, entgegnete eine andere Stimme. „Jeder weiß inzwischen, dass der Alpha ein Verhältnis mit seiner Jugendfreundin Lily hat – und sogar ein uneheliches Kind mit ihr.“„Ich hab gehört, dass Lily Sam verlassen hat, damals, als er noch kein Alpha war. Sie wollte einen besseren Gefährten aus einem anderen Rudel. Nur Echo war in jener Zeit bei ihm, hat ihn nie verlassen. Und kaum wurde Sam zum Alpha, kam Lily zurück, um ihn sich zu schnappen.“Ihre Worte trafen m

  • Vertrag mit dem Alpha   Kapitel 6

    Ich war den ganzen Tag damit beschäftigt, Echo zu suchen – sogar die Angelegenheiten des Rudels ließ ich schleifen.Bald hatte sich die Geschichte im ganzen Rudel herumgesprochen. Einer nach dem anderen kam vorbei, um mir ins Gewissen zu reden.„Lily ist deine rechtmäßige Gefährtin, und Kitty ist eure leibliche Tochter. Was kann es Besseres geben? Echo ist doch freiwillig gegangen. Sie hat Lily ihren Platz überlassen. Warum hältst du noch an ihr fest?“Wütend fuhr ich dazwischen:„Ich liebe Echo! Lily – das ist bloß alte Vertrautheit. Wenn Echo zurückkommt, kann ich Kittys Erbrecht annullieren.“Stille. Dann wagte es doch jemand, die falsche Frage zu stellen:„Aber… du hast doch zuerst mit Lily die Gefährtenbindung registriert – und dann Echo eine gefälschte Urkunde gegeben. War das nicht dein Plan, sie eines Tages loszuwerden, um offiziell mit Lily zusammen zu sein?“Ein grollender Knall hallte durchs Haus, als ich vor Zorn mit voller Wucht den Boden zertrat. Der Marmor splitterte.„H

More Chapters
Explore and read good novels for free
Free access to a vast number of good novels on GoodNovel app. Download the books you like and read anywhere & anytime.
Read books for free on the app
SCAN CODE TO READ ON APP
DMCA.com Protection Status