Share

Kapitel 3

Author: Von Anonym
Mia holte tief Luft, um den Herzschmerz zu unterdrücken. Als sie gerade gehen wollte, hielt sie ein kräftiger Arm zurück.

„Mia, warum wartest du nicht? Bist du heute unglücklich? Komm, lass uns das Brautkleid anprobieren – das Maßgeschneiderte ist eingetroffen.“

Nico zog sie an sich und tätschelte zärtlich ihren Scheitel.

„Ich will nicht mitkommen. Entscheide du.“

Am Hochzeitstag würde sie schließlich weggehen.

Ob das Kleid passte, war gleichgültig.

Nico spürte ihre Kühle. Vorsichtig fragte er in Gebärdensprache:

„Mia, freust du dich nicht auf unsere Hochzeit? Willst du mich nicht heiraten?“

Mia sah die Angst in seinen Augen. Wie gern hätte sie gesagt:

Ja. Ich will Nein sagen.

Weil du betrogen hast. Weil du unsere Liebe zertrampeltest. Weil du diese Ehe zerstörtest.

Welches Recht hast du, mich das zu fragen?

Doch sie enthüllte nichts.

Mia und Nico betraten den Laden, und eine Verkäuferin riss direkt den Vorhang auf – da hängte das vorbereitete Brautkleid!

„Frau Stein! Herr Meyers französisches Maßkleid ist da. Bitte prüfen Sie Änderungswünsche.“

Ein Dolmetscher übersetzte simultan in die Gebärdensprache.

Flüsternd schwärmten die Angestellten:

„Herr Meyer denkt an alles – extra einen Dolmetscher!“

„Sehen Sie den Hauptstein? Den ersteigerte er bei Sotheby’s fürs Kleid!“

„Er beauftragte den Designer exklusiv – nur dieses eine Kleid in diesem Jahr!“

Nico lächelte selbstzufrieden und legte Mia den Arm um die Taille:

„Schatz, gefällt es dir?“

Mitten im Schleppkleid funkelte ein rosafarbener Diamant, so groß wie ein Taubenei. Die Schleppe maß ganze fünf Meter und war mit winzigen Diamantsplittern besetzt – sie leuchteten unter den Lampen in blendendem Glanz.

Mia strich über den Stoff.

Unbestreitbar: Dieses Kleid verkörperte ihre Träume. Wie oft hatte sie von Rosa und Schleppe geschwärmt? Nico hatte jedes Detail bewahrt.

Doch kein Diamant konnte den Riss in ihrer Seele kitten.

„Mia, sieh genau hin – im Stein graviert: M&N forever.“

„Wie Diamanten ewig halten, so meine Liebe. Unzerstörbar.“

Mias Blick fiel unwillkürlich auf den Diamanten. In seiner Mitte war tatsächlich eine Zeile englischer Buchstaben eingraviert.

Sie drehte sich um und traf auf Nicos Blick, der vor Liebe nur so strahlte. Ein Zittern durchfuhr ihr Herz, als sie leise fragte:

„Wird deine Liebe zu mir wirklich ewig währen?“

Nico reagierte sofort hektisch mit Gebärden, als fürchte er, jede Verzögerung könne missverstanden werden.

„Ich, Nico, werde Mia immer lieben, ein Leben lang, nein, für alle Ewigkeit. Niemals werde ich dich betrügen. Sollte ich diesen Schwur brechen, dann soll der Blitz mich treffen!“

Doch so innige Worte vermochten kein Herz mehr zu erwärmen, das längst zu Eis erstarrt war.

Hat er seinen Schwur nicht bereits gebrochen? Und trotzdem führt er mir gegenüber dieses Schauspiel auf. Wird ihm das nicht langsam zu mühsam?

Mia wandte ihr Gesicht ab, unfähig, sein heuchlerisches Antlitz länger zu ertragen.

Nico wollte noch etwas sagen, doch das Klingeln seines Handys durchschnitt jäh die Stille.

Sein Gesicht veränderte sich. Er trat mit großen Schritten beiseite, um außer Hörweite der anderen den Anruf entgegenzunehmen.

Als er zurückkam, lag ein Anflug von Bedauern auf seinen Zügen.

„Mia, etwas Dringendes ist aufgetaucht. Ich muss ins Büro. Probiere das Brautkleid. Sag dem Personal einfach, was geändert werden soll. Wenn du fertig bist, bringt dich der Fahrer nach Hause.“

Nachdem er seine Mitteilung in Gebärdensprache beendet hatte, verzichtete er sogar auf seine sonst übliche Umarmung, sondern eilte sofort zum Wagen und fuhr davon. Zurück blieb nur sein entschwindender Rücken.

Kaum war er fort, brach unter den Angestellten aufgeregtes Geflüster aus.

„Ach du meine Güte! Diese Liebeserklärung von Herrn Meyer war so ergreifend, ich könnte heulen!“

„Und selbst, als er dringend zur Arbeit musste, hat er noch so fürsorglich an Frau Stein gedacht. Was für ein absoluter Traummann!“

In Mias Innerem regte sich nur beißender Spott.

Nico würde mich niemals wegen der Arbeit allein lassen.

Vor allem nicht, nachdem sein Blick nach dem Telefonat eindeutig von Begierde erfüllt war.

„Etwas Dringendes im Büro“? Das ist doch unmöglich.

Wahrscheinlich hetzt er jetzt zu seiner Geliebten, Helena Berg.

Ein bitteres Lächeln zuckte um Mias Mundwinkel. Sie wandte sich zum Gehen.

Doch eilig trat ihr eine Verkäuferin in den Weg.

„Frau Stein, Sie haben das Brautkleid noch nicht anprobiert.“

Mia schüttelte gelassen den Kopf.

„Es ist nicht nötig, es anzuprobieren.“

Schließlich würde am Hochzeitstag nur noch die „Leiche“ einer Braut dastehen – ein Brautkleid würde dann wirklich überflüssig sein.

Continue to read this book for free
Scan code to download App

Latest chapter

  • Am Hochzeitstag verschwand ich spurlos   Kapitel 23

    Nicos Stimme enthielt ein leichtes Zittern.„Mia… Verzeihst du mir wirklich niemals?“Clara nickte ohne jede Zögern.„Nein. Niemals.“Ohne seine Reaktion abzuwarten, drehte sie sich um und trat durch das Hoftor.Am nächsten Tag war ein Konzertbesuch mit Elias verabredet.Seit ihre Hörfähigkeit wiederhergestellt war, liebte sie es, Klängen zu lauschen –den Geräuschen der Natur, dem Klang von Instrumenten, der menschlichen Stimme…Zufällig war Elias ein leidenschaftlicher Liebhaber klassischer Musik. Jeder gemeinsame Konzertbesuch brachte ihr neue Erkenntnisse.Nico hatte die ganze Nacht vor dem Anwesen verbracht.Claras Worte vom Vortag kreisten unaufhörlich in seinem Kopf.Die einstige Erleichterung nach dem ersten Betrug mit Helena traf ihn nun wie ein zurückkehrender Bumerang.Dennoch wollte er es ein letztes Mal versuchen. Er glaubte nicht, dass Clara fünf Jahre Liebe einfach abschütteln konnte.Als Elias’ Nachricht eintraf, huschte Clara zwitschernd wie ein Vogel die Treppe hinab.

  • Am Hochzeitstag verschwand ich spurlos   Kapitel 22

    „Nur wenige einfache Worte ließen Nico erbleichen.Er verstand es nicht. Fünf Jahre lang hatten sie sich doch so innig geliebt, waren so glücklich gewesen. Warum bereute sie es jetzt?Was sollte dieses Wort ‚damals‘ bedeuten? Liebte sie ihn etwa nicht mehr?Allein der Gedanke daran verursachte Nico stechende Schmerzen im Herzen.Nein! Das konnte nicht sein!Es war doch erst einen Monat her! Wie konnte Clärchen ihn da schon nicht mehr lieben?Sie musste immer noch wütend sein, ihm noch nicht verziehen haben.Nico trat näher, um ihre Hand zu ergreifen und sich zu erklären. Doch noch bevor er sie erreichte, wich Clara sofort zurück und schuf Distanz.Ihre Geste traf ihn sichtlich, doch er beeilte sich zu erklären:„Clärchen, ich meine es nur gut. Ich möchte dir alles erklären.“ „Du musst mir glauben, ich habe immer nur dich geliebt. Helena gegenüber habe ich nie echte Gefühle gehabt.“„Kannst du mir vergeben und mit mir zurückkommen? Ich verspreche dir, es wird keine andere Frau mehr in

  • Am Hochzeitstag verschwand ich spurlos   Kapitel 21

    Nico erblickte im Nachrichtenbild eine vertraute Silhouette und mobilisierte umgehend sein gesamtes Netzwerk, um die Identität dieser Person zu ermitteln.Da die Wurzeln der Fischers im Ausland lagen, während Nico sich jedoch im Inland befand, dauerte es bereits zwei Wochen, bis er auf den Namen Clara Fischer stieß.Als er Clara auf den offiziellen Fotos von der Familienzusammenführung sah, erkannte er sie sofort: Das war seine Mia.Selbst unter neuem Namen stand für ihn unerschütterlich fest – sie war die Gesuchte.Er erkundigte sich verzweifelt nach der Adresse der Fischers und nahm, sobald er sie hatte, sofort den nächsten Flug nach England.Während der Reise malte er sich unzählige Male aus, wie ihr Wiedersehen ablaufen könnte.Am wahrscheinlichsten erschien ihm, dass sie noch wütend sein und ihn ignorieren würde.Doch das war egal. Hauptsache, er konnte sie sehen.Nach dem durchlebten „Tod“ war ihm schmerzlich bewusst geworden, dass Mia in seinem Leben unersetzlich war.Er würde s

  • Am Hochzeitstag verschwand ich spurlos   Kapitel 20

    Clara seufzte resigniert.Frau Fischer hielt ihre Hand fest und redete unablässig auf sie ein:„Clara, ich schwöre dir, der junge Mann ist charakterlich einwandfrei. Triff dich einfach einmal mit ihm. Solltest du ihn nicht mögen, werde ich die Verabredung diskret absagen, ja?“Clara hätte nie gedacht, dass ihre erste Herausforderung nach der Heimkehr eine einst arrangierte Verlobung aus Kindertagen sein würde.Frau Fischer und ihre beste Freundin waren damals gleichzeitig schwanger geworden. Sie hatten verabredet: Bei einem Mädchen und einem Jungen würden sie die Kinder verloben. Wären es gleiche Geschlechter geworden, wären sie wie Geschwister aufgewachsen.Die Freude war riesig, als tatsächlich ein Junge und ein Mädchen zur Welt kamen. Sie sahen sich schon als eine zukünftige Schwiegerfamilie.Doch dann wurde Clara entführt, und das Verlöbnis geriet in Vergessenheit.Erst kürzlich, als Frau Fischer feststellte, dass Clara ledig war, kam das Thema wieder auf.Da auch der junge Mann le

  • Am Hochzeitstag verschwand ich spurlos   Kapitel 19

    Frau Meyer betrachtete den abgehärmten Nico nur mit schmerzerfüllter Miene.„Nico, bitte steh auf und iss etwas?“Nico schien jeden Außenreiz abzuschirmen, eingemauert in seiner eigenen Welt.Frau Meyer hatte Mia wegen ihrer Gehörprobleme nie akzeptiert hatte. Doch da ihr Sohn sie liebte, hatte sie widerwillig zugestimmt.Sie wollte nicht von anderen Damen der High Society wegen einer „tauben Schwiegertochter“ verspottet werden. Genau deshalb hatten sie und Herr Meyer eine Dienstreise vorgeschoben, um der Hochzeit fernzubleiben.Doch kaum zwei Tage nach ihrer Abreise war alles außer Kontrolle geraten:Mias Selbstmord mit dem Sarg auf der Hochzeitsfeier, die Enthüllung von Nicos Affäre, der Aktiensturz des Unternehmens – und nun ihr völlig apathischer Sohn.Sie schob alle Fehler auf Mia.In ihren Kreisen hielten sich doch alle eine Geliebte!Warum konnte die das nicht einfach hinnehmen?Ihre Stimme klang nun vorwurfsvoll:„Nico, Mias Tod ist nicht deine Schuld.“„Hätte sie nicht so klei

  • Am Hochzeitstag verschwand ich spurlos   Kapitel 18

    England.Clara – nein, sie hieß nun Clara Fischer – stand vor einem alten Schlossgut und fühlte sich noch immer etwas benommen.Sie hätte nie gedacht, dass eine Auslandsreise sie ausgerechnet zu ihren leiblichen Eltern führen würde.Im Flugzeug hatte eine vornehme Dame auf dem Nebensitz sie auffällig oft angesehen. Aus Höflichkeit hatte Clara sie zuerst angesprochen.Sie kamen ins Gespräch.Die Dame erzählte, sie lebe im Ausland und sei auf der Suche nach ihrer verlorenen Tochter.Sie und ihr Mann hätten Geschäfte im Ausland betrieben. Bei der Geburt der jüngsten Tochter seien sie zufällig im Heimatland gewesen, da gerade Neujahr war. Sie beschlossen, noch einen Monat zu bleiben, um die Kleine taufen zu lassen. Doch am Vorabend ihrer geplanten Abreise sei ihre Tochter verschwunden.Sie hätten sofort die Polizei verständigt und Freunde zur Suche mobilisiert. Nach einem ganzen Monat ohne Spur meinten die Beamten, das Kind sei wohl entführt worden – die Chancen, es wiederzufinden, seien g

More Chapters
Explore and read good novels for free
Free access to a vast number of good novels on GoodNovel app. Download the books you like and read anywhere & anytime.
Read books for free on the app
SCAN CODE TO READ ON APP
DMCA.com Protection Status