Share

Kapitel 27

Author: Otto Welfen
In Lenas Erinnerung war Friedrich zu Hause stets liebevoll und fürsorglich, nach außen hin immer freundlich und großzügig. Neben seiner Unterstützung für Studenten spendete er regelmäßig an Wohltätigkeitsorganisationen.

In allen Berichten wurde ihr Vater als ein Mann voller Tugend und Bescheidenheit dargestellt – fast schon als der Inbegriff des perfekten Menschen.

Doch als Lena auf dem Boden kniete und die verstreuten Unterlagen aufhob, veränderte sich ihr Gesicht mit jeder Seite, die sie las. Ihre Miene wurde immer kälter.

Es war offensichtlich, dass Otto gründlich recherchiert hatte. Für jede dieser Frauen, mit denen Friedrich auch nur wenige Tage zusammen gewesen war, gab es klare Beweise.

Über mehr als zehn Jahre hinweg hatte Friedrich mehrere Frauen gewechselt – alles junge Mädchen mit einem reinen, schönen Aussehen.

Eigentlich war es nicht schwer zu verstehen: Friedrich war gut aussehend; auch im mittleren Alter hatte er sich nicht gehen lassen, sondern blieb durch regelmäßiges
Continue to read this book for free
Scan code to download App
Locked Chapter

Latest chapter

  • Herr Welfen, Ihre Frau ist tot. Mein Beileid.   Kapitel 30

    Sie standen also vor der unausweichlichen Realität, die sie nicht länger leugnen konnten.Otto hatte offenbar die Entscheidung getroffen, sie endgültig loszulassen.Doch auch Lena hatte ihre eigene Entscheidung getroffen.Sie lächelte sanft und sagte zu Nils:„Es tut mir leid. Sag bitte Otto, dass ich es bereue.“Nils verstand dieses Paar einfach nicht.Zuerst hatte Otto auf der Scheidung bestanden, dann wollte Lena sie –und jetzt, da Otto endlich zugestimmt hatte, bereute sie es plötzlich wieder.Waren sie etwa in einem endlosen Spiel gefangen?War das hier ihr eigenes „Spielzeug-Standesamt“?Wenn Lukas an seiner Stelle gewesen wäre, hätte er sicher schon angefangen zu fluchen.Doch Nils blieb ruhig, sein Gesicht ernst, seine Stimme professionell:„Es tut mir leid, Frau Welfen, aber das liegt nicht in meinem Entscheidungsbereich.Ich kann nichts entscheiden. Ich bitte Sie nur, mit mir zu kommen.“„Ich will dir keine Schwierigkeiten machen. Lass uns gehen.“Lena hatte diesen Aus

  • Herr Welfen, Ihre Frau ist tot. Mein Beileid.   Kapitel 29

    Tränen liefen in klaren Strömen über Lenas Wangen.Sie hatte es immer gewusst – sie und Otto würden nie wieder in die Vergangenheit zurückkehren können.Er hatte sie verraten, ihr Vertrauen gebrochen und die Familie Müller ins Verderben gestürzt, während die Familie Müller ihm auf dieselbe Weise eine Tochter genommen hatte.Diese Schuld war nicht zu begleichen. Sie war wie zwei ineinander verhedderte Fäden – je mehr man versuchte, sie zu entwirren, desto fester zogen sie sich zusammen.Der Druck nahm ihnen die Luft zum Atmen und führte unweigerlich zu einem Ende: dem Tod.Otto hielt ihr Gesicht in seinen Händen, sein Daumen strich über die Tränen auf ihrer Wange.„Leni, liebe mich nicht. Hasse mich. Ich habe dich verraten, ich habe unser Kind zerstört. Ich kann nicht mehr zurück.“Sie spürte seine innere Zerrissenheit, diese seltene Zärtlichkeit – wie ein winziger Hauch von Frühling, der auf einem kalten Eisberg aufblüht.Doch dieser zarte Hauch wurde bald von einem Sturm hinwegge

  • Herr Welfen, Ihre Frau ist tot. Mein Beileid.   Kapitel 28

    Florine war für ihn genauso wichtig wie Lena für Friedrich.„Es lässt sich nicht leugnen, dass er vielleicht ein guter Vater war, aber er war definitiv kein guter Mensch. Hinter dieser heuchlerischen Fassade verbirgt sich ein teuflisches Herz. Leni, die Dinge sind nun so weit gekommen, dass ich dir nichts mehr verheimlichen werde.“Otto kniete sich nieder, nahm Lenas Gesicht in beide Hände, und ein krankhaft besessenes Lächeln huschte über seine Lippen.„Ich habe dich wie mein eigenes Leben geliebt – so sehr, dass ich mich nicht mehr daraus befreien konnte. Aber du bist Friedrichs einzige Tochter. Je mehr ich dich geliebt habe, desto größer ist jetzt mein Hass auf dich.“Er lächelte zwar, doch Lena spürte eine eisige Kälte entlang ihrer Wirbelsäule.„An dem Tag, als Isabella und ich gleichzeitig ins Wasser fielen – hast du absichtlich sie zuerst gerettet? Wolltest du, dass unser Kind für das Kind deiner Schwester büßt?“„Ja. Auge um Auge, Leben für Leben.“Lena packte verzweifelt seine

  • Herr Welfen, Ihre Frau ist tot. Mein Beileid.   Kapitel 27

    In Lenas Erinnerung war Friedrich zu Hause stets liebevoll und fürsorglich, nach außen hin immer freundlich und großzügig. Neben seiner Unterstützung für Studenten spendete er regelmäßig an Wohltätigkeitsorganisationen.In allen Berichten wurde ihr Vater als ein Mann voller Tugend und Bescheidenheit dargestellt – fast schon als der Inbegriff des perfekten Menschen.Doch als Lena auf dem Boden kniete und die verstreuten Unterlagen aufhob, veränderte sich ihr Gesicht mit jeder Seite, die sie las. Ihre Miene wurde immer kälter.Es war offensichtlich, dass Otto gründlich recherchiert hatte. Für jede dieser Frauen, mit denen Friedrich auch nur wenige Tage zusammen gewesen war, gab es klare Beweise.Über mehr als zehn Jahre hinweg hatte Friedrich mehrere Frauen gewechselt – alles junge Mädchen mit einem reinen, schönen Aussehen.Eigentlich war es nicht schwer zu verstehen: Friedrich war gut aussehend; auch im mittleren Alter hatte er sich nicht gehen lassen, sondern blieb durch regelmäßiges

  • Herr Welfen, Ihre Frau ist tot. Mein Beileid.   Kapitel 26

    Lena war fassungslos. Es berührte sie tief, als wäre sie früher von Otto bis zum Himmel verwöhnt worden, doch nun zeigte er sich auf die grausamste Weise. Sie konnte nicht sagen, dass er sich verändert hatte; sie hatte nur diese Seite von ihm erst jetzt zu Gesicht bekommen.Otto war so, und vielleicht war Friedrich ebenfalls so.Mit einer kaum hörbaren Stimme versuchte Lena zu widersprechen: „Egal, was passiert, er würde niemals... einen Menschen töten.“Ottos Finger strichen langsam über Lenas Wange. „Leni, du bist wirklich naiv. Denkst du wirklich, ich würde dich niemals verlassen?“Seine intime, aber gleichzeitig zweideutige Stimme ließ es fast so klingen, als sei er immer noch der sanfte Liebhaber von damals. Doch in seinen Augen war keinerlei Zärtlichkeit mehr zu erkennen.Lena hatte das Gefühl, als hätte er ihre Gedanken durchschaut. Ja, sie hatte tatsächlich geglaubt, er würde niemals untreu werden – bis sie in den Nachrichten sah, wie er am Flughafen Isabella im Arm hielt. Die

  • Herr Welfen, Ihre Frau ist tot. Mein Beileid.   Kapitel 25

    Lena war so in das Lesen vertieft, dass Ottos plötzliches Auftauchen sie erschreckte. Sie stolperte, fiel zu Boden, und die Unterlagen verstreuten sich in alle Richtungen.Normalerweise kam er erst spät in der Nacht nach Hause – doch heute war er unerwartet so früh zurück.Auch wenn sie noch immer verheiratet waren, war ihr Verhalten unangemessen, besonders weil sie wusste, dass Otto es am meisten verabscheute, wenn jemand heimlich hinter seinem Rücken agierte.Lena schluckte schwer, ihr Gesicht wurde blass, als sie stammelte: „Du... du bist zurück.“Sie wusste nicht, von welcher Veranstaltung Otto kam, doch er trug einen eleganten schwarzen Anzug, der seine hochgewachsene, athletische Figur betonte. Sobald seine kalten Augen auf sie fielen, fühlte sich Lena, als wäre sie in einem Eiskeller gefangen.Mit langen, eleganten Schritten kam er langsam auf sie zu. Er zog ruhig seine Jacke aus, seine Finger glitten gleichmäßig über den Stoff. Von Geburt an ein Sohn aus gutem Hause, strah

More Chapters
Explore and read good novels for free
Free access to a vast number of good novels on GoodNovel app. Download the books you like and read anywhere & anytime.
Read books for free on the app
SCAN CODE TO READ ON APP
DMCA.com Protection Status