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Kapitel 3

Author: Otto Welfen
Isabella trug einen feinen, weißen Kaschmirmantel, und die australischen weißen Perlen an ihren Ohren verliehen ihr eine zarte, elegante Ausstrahlung. Allein der Schal um ihren Hals kostete zehntausend Euro.

Als die Verkäuferin sie erblickte, eilte sie sofort herbei: „Frau Welfen, ist Herr Welfen heute nicht mit Ihnen zum Schmuckkauf hier?“

„Frau Welfen, wir haben neue Kollektionen im Geschäft. Jedes Stück würde perfekt zu Ihnen passen.“

„Frau Welfen, die Saphir-Halskette, die Sie letztes Mal reserviert haben, ist eingetroffen. Probieren Sie ihn später an – er wird hervorragend zu Ihrem Teint passen.“

Die Verkäuferin sprach unentwegt von „Frau Welfen“, und Isabella lächelte selbstgefällig. Ihre Augen funkelten vor Stolz, während sie Lena direkt ansah, als wollte sie ihre Überlegenheit demonstrieren.

Die Welt wusste, dass Otto Isabella wie einen Schatz behandelte. Doch niemand wusste, dass Lena seine rechtmäßig angetraute Ehefrau war.

Lena ballte die Hände zu Fäusten. Warum musste sie ausgerechnet in diesem Moment Isabella begegnen, der Person, die sie am meisten hasste?

Isabella sprach mit einer sanften, aber spöttischen Stimme: „Einen so hochwertigen Ring in Bargeld umzuwandeln, würde Ihnen doch einen erheblichen Verlust bescheren.“

Lena griff nach dem Ringetui und zog es mit finsterem Gesicht zurück. „Ich verkaufe ihn nicht.“

„Nicht verkaufen? Wie schade. Ich mag diesen Ring wirklich. Angesichts unserer früheren Begegnungen wollte ich Ihnen einen hohen Preis bieten. Fehlt es dir etwa nicht an Geld, Lena?“

Lena erstarrte. Ja, sie hatte Geldprobleme – große Probleme. Isabella nutzte dies schamlos aus, um sie zu demütigen.

Die Verkäuferinnen mischten sich ein: „Diese Dame ist die Verlobte des Präsidenten der Welfen-Gruppe. Es ist eine seltene Gelegenheit, dass Frau Welfen Interesse an Ihrem Ring zeigt. Sie wird Ihnen sicher einen guten Preis machen, und Sie müssen nicht auf den Verkaufsprozess warten.“

Jedes „Frau Welfen“ fühlte sich wie eine Wunde, die immer wieder aufgerissen wurde. Noch vor einem Jahr hatte sie Isabella mit Nachdruck versichert, dass es niemals zur Scheidung kommen würde, und ihr geraten, diese Hoffnung aufzugeben.

Und nun, ein Jahr später, wusste die ganze Stadt, wer sie wirklich war. Lena kam es vor, als wäre ihre Ehe mit Otto von Anfang an nur ein geschickt inszeniertes Spiel gewesen.

Isabella bemerkte ihre Zögerlichkeit und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Lena, Nennt einfach deinen Preis.“

Das arrogante Grinsen auf Isabellas Gesicht war widerlich, und Lena fühlte, wie ihr der Atem stockte. Mit kalter Stimme entgegnete sie: „Ich verkaufe ihn nicht.“

Isabella ließ nicht locker. „Lena, du bist bereits am Ende deiner Kräfte. Denkst du wirklich noch an Würde? Wäre ich an deiner Stelle, würde ich einfach loslassen. Niemand hat dir gesagt, wie armselig das wirkt?“

Lenas Augen verengten sich vor Zorn. „Isabella, Du bist völlig lächerlich. Das Stehlen von anderen gibt dir tatsächlich ein Gefühl von Selbstbedeutung? Wenn du so gerne stiehlst, warum raubst du dann nicht eine Bank aus?“

Noch bevor Isabella antworten konnte, rutschte der Ring aus der Schachtel, fiel zu Boden und rollte in Richtung Eingang.

Lena eilte sofort hinterher. Der Ring stoppte vor einem Paar fein gearbeiteter Lederschuhe. Als Lena sich bücken wollte, um ihn aufzuheben, fühlte sie plötzlich einen eiskalten Tropfen auf ihrem Nacken.

Langsam hob sie den Blick und traf auf die kalten Augen von Otto. Er hielt immer noch einen schwarzen Regenschirm, von dem noch immer Wassertropfen herabfielen, die auf ihre Haare und Schultern prasselten.

In seinem feinen schwarzen Wollmantel wirkte Otto hochgewachsen und imposant. Lenas Blick blieb an ihm hängen, und Erinnerungen drängten sich auf. Sie dachte an ihr erstes Treffen, als sie ihn vor Jahren in einem strahlend weißen Hemd auf dem sonnendurchfluteten Sportplatz sah. Damals war er für sie der Mittelpunkt ihrer Welt gewesen.

Jetzt war er wie ein Fremder.

Sie trug einen gestrickten Pullover, dessen weiche Textur ihre schlanke Figur noch betonte. Ihr Kinn war spitz, und es schien, als sei sie in den letzten drei Monaten noch dünner geworden.

Er strahlte unübertroffene Eleganz aus, während sie sich ihm gegenüber wie ein unbedeutender Staubkorn vorkam.

Lena verharrte in ihrer halbgebeugten Haltung. In dem Moment, als sie in Gedanken versank, hob Otto seinen Fuß und trat auf den Ring. Wortlos ging er mit ausdruckslosem Gesicht an ihr vorbei.

Lena blieb in ihrer knienden Position erstarrt.

Dieser Ring war von ihm persönlich nach ihren Wünschen entworfen worden – unauffällig, aber einzigartig.

Als er ihr ihn ansteckte, hatte sie ihn, außer zum Waschen, nie abgelegt.

Wäre es nicht für ihre verzweifelte Lage gewesen, hätte sie ihn niemals verkauft.

Doch was sie wie einen Schatz hütete, war in den Augen der anderen wertlos.

Er trat nicht auf den Ring, er trat auf all ihre kostbaren Erinnerungen.

Isabella näherte sich lächelnd und erklärte ihm: „Otto, du bist gerade gekommen, als ich sah, wie Frau Müller ihren Ring verkaufen wollte.“

Otto Welfen hatte ein kalt abweisendes Gesicht, das keine Regung zeigte. Sein eisiger Blick fiel auf Lena, deren Gesicht von unterdrücktem Zorn gezeichnet war, und er fragte mit ungerührter Stimme: „Willst du diesen Ring verkaufen?“

Lena biss die Zähne zusammen, unterdrückte die Tränen und hielt sich mit aller Kraft davon ab, zusammenzubrechen. „Ja, Herr Welfen, wollen Sie ihn kaufen?“

Otto zog ein spöttisches Lächeln auf den Lippen. „Ich erinnere mich, dass du mir einmal gesagt hast, wie wichtig dieser Ring für dich ist. Es scheint, als ob deine ‚Echtheit‘ nicht mehr viel wert ist. Etwas, dem das Herz fehlt, ist für mich nur noch Abfall.“

Lena wollte antworten, doch ein scharfer Schmerz durchzuckte ihren Magen, als der Tumor immer größer wurde. Der Schmerz, der anfangs nur leicht war, war jetzt beinahe unerträglich und schien tief in ihr Innerstes zu bohren.

Sie sah auf das Paar vor ihr, das unter dem grellen Licht der Neonlichter wie ein perfektes Paar wirkte – ein wahres Traumpaar.

Plötzlich fehlte ihr die Kraft, sich zu verteidigen. Ein Mann, der sein Herz verloren hatte, würde sich nicht für das Herz interessieren, das du ihm hinlegst.

Mit aller Mühe sammelte sie sich, hob den Ring auf und ging ruhig zur Kasse, um die Schachtel und den Beleg zu nehmen.

Vor Otto wollte sie sich nicht schwach zeigen, selbst wenn der Schmerz sie fast in Ohnmacht fallen ließ, behielt sie ihre festen Schritte bei.

Als Lena an Otto vorbeiging, ließ sie mit leiser Stimme die Worte fallen: „Wie Herr Welfen, früher war dieser Ring für mich mein Leben, jetzt ist er nur noch ein Stein, den man gegen Geld eintauschen kann. Und mehr nicht.“

Otto bemerkte, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Ihre Stirn glänzte schweißbedeckt, ihr Gesicht war totenblass, als würde sie mit aller Kraft den Schmerz unterdrücken.

Plötzlich packte er ihren Arm, und eine tiefe, besorgte Stimme ertönte: „Was ist los mit dir?“

Lena riss sich seinen Griff von ihrem Arm und antwortete scharf: „Das geht dich nichts an.“

Ohne ihn anzusehen, richtete sie sich auf und verschwand mit einem entschlossenen Schritt aus seinem Blickfeld.

Otto starrte auf ihren sich entfernenden Rücken. Es war doch er, der sie selbst aufgegeben hatte – warum tat ihr Herz trotzdem weh?

Lena fand eine Ecke, in der niemand war, und suchte hastig in ihrer Tasche nach den Schmerztabletten.

Sie wusste, dass alle Behandlungen und Krebsmittel Nebenwirkungen hatten, also hatte sie nur einige Schmerzmittel und normale Magentabletten gekauft. Was sie bewirken konnten, war bestenfalls geringfügig, aber immerhin etwas.

Sie starrte auf den strömenden Regen draußen. War das wirklich der einzige Weg?

Es war die Person, die sie am wenigsten sehen wollte, aber für ihren Vater blieb ihr keine andere Wahl als zu kämpfen.

Lena ging zuerst nach Hause, um sich etwas zu ordnen und sich von ihrem chaotischen Zustand zu befreien. Dann nahm sie ein Taxi zur „Villa Harmonie“.

Vor über einem Jahr, nach ihrer Rückkehr ins Heimatland, hatte diese Person sie angerufen. Seit über zehn Jahren hatten sie sich nicht gesehen, und sie wusste nicht, wie es ihr jetzt ging.

Als Lena die prächtige Villa betrachtete, konnte sie sehen, dass die Frau anscheinend in den letzten Jahren nicht schlecht gelebt hatte.

Sie erklärte ihr Anliegen, und die Haushälterin führte sie ins Wohnzimmer, wo eine elegante, schöne Frau saß – genauso atemberaubend wie in ihren Erinnerungen.

„Lena“, sagte die Frau und blickte zu ihr auf.

Doch das „Mama“ konnte Lena einfach nicht über ihre Lippen bringen.

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