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Kapitel 2

Author: Guan Yi
Ernst wirkte ausweichend. Ich riss ihm das Handy weg – genau wie vermutet war es Sophie.

„Du hast meine Nachricht wohl nicht gesehen? Mach schon die Tür auf!“

Lukas rauschte die Treppe hinunter, total aufgeregt, und zog Sophie ins Haus.

„Sophie ist da! Lydia, heute kochst du uns was Richtig Leckeres, oder?“, rief er voller Vorfreude und reichte mir dabei Sophies Gepäck.

Sophies Sohn Felix stürmte herein, als wäre es sein eigenes Zuhause, sprang mit seinen Schuhen direkt auf das Sofa und lachte dabei laut.

Ich runzelte die Stirn - das ist mein teures neues Sofa! Doch Susanne dagegen strahlte übers ganze Gesicht und hielt Sophie fest an der Hand.

„Sophie, du und unser Ernst – einfach kein Schicksal. Damals… ach… Aber kleiner Felix ist doch wie mein Enkel. Egal, was andere sagen, du musst den Jungen öfter her bringen.“

Martin - mein sonst so strenger Schwiegervater nahm den Jungen auf den Arm und war voller Zuneigung.

„Schätzchen“, nannte er ihn immer wieder, und seufzte dann: „Unsere Familie hat einfach kein Glück. Keine so gute Schwiegertochter wie dich, keinen so süßen Enkel wie kleinen Felix.“

Sie behandelten mich, als wäre ich Luft und priesen Sophie ungeniert in den Himmel.

Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. All die Jahre, all meine Mühe – und am Ende war alles umsonst.

Haben sie vergessen, dass Ernst wegen Sophie einen Riesenhaufen Kredite auf dem Hals hatte?

Ernst und Sophie waren nicht nur Nachbarn, sondern auch zwölf Jahre lang Klassenkameraden gewesen. Sie hatten gemeinsam ein Geschäft gestartet – und dann hatte Sophie zusammen mit ihrem Ex-Mann das ganze Geld durchbrennen lassen.

Ich hatte Ernst schon lange heimlich geliebt. Als er in Schwierigkeiten steckte, half ich ihm natürlich. Aus dem Hin und Her wurden Gefühle, und wir heirateten.

All die Jahre habe ich diese Beziehung sehr geschätzt.

Meine immense Hingabe an diese Familie stand nie in Frage. Ich sorgte für die Gesundheit meiner Schwiegereltern, organisierte regelmäßige medizinische Untersuchungen für sie und übernahm ihre täglichen Lebenshaltungskosten. Auch um meinen jüngeren Schwager Lukas kümmerte ich mich aufmerksam und bemühte mich, alle seine Wünsche zu erfüllen.

Kein Verwandter der Bosch-Familie, der nicht sagte: „Lydia ist die beste Schwiegertochter auf Erden!“

Aber meine eigene Familie nahm meine Mühe nicht ernst – gar nicht.

Stattdessen hätschelten sie eine undankbare Schmarotzerin, die bei uns frisst und uns gleichzeitig hintergeht.

Sophie setzte sich direkt aufs Sofa. Sie warf mir einen absichtlichen Blick zu.

„Ach, Lydia, du bist auch da? Entschuldigung, ich habe dich total übersehen!“

„Lydia, der kleine Felix und ich lieben deine Küche über alles. Wie du weißt, sind meine eigenen Kochkünste eher begrenzt.“

Susanne deutete mir mit ihren Blicken an, ich solle in die Küche gehen und kochen, aber ich ignorierte sie völlig und blieb auf dem Sofa sitzen, als hätte ich nichts bemerkt.

Sophie senkte sofort den Blick.

„Lydia, bist du etwa sauer auf mich? Ernst hatte mir von eurer Reise erzählt. Ich dachte, kleiner Felix war noch nie außerhalb der Stadt, also habe ich Ernst gebeten, uns mitzunehmen. Wer konnte ahnen, dass so wenige Flugtickets übrig waren… Tut mir leid, dass du nun mit dem Auto fahren musst.“

„Ich sagte Ernst, wir bleiben lieber zu Hause. Aber er meinte, Kinder müssen die Welt sehen, nur so werden sie schlau.“

„Es tut mir wirklich leid, dass du dich so quälen musst!“

Daneben saß Lukas, spielte auf dem iPad, das ich gekauft hatte, und grinste.

„Lydia stört das doch nicht. Mit Kindern Auto fahren? Ultra anstrengend! Ich wollte von Anfang an fliegen. Aber jemand – nennen wir keine Namen – wollte sparen. Na dann, jetzt kann sie so viel fahren, wie sie will!“

Sophie runzelte die Stirn und wies ihn zurecht.

„So sprichst du nicht über Lydia. Was auch war – sie ist älter als du, sie verdient Respekt.“

Er schmollte sofort: „Sorry, Sophie, ich war frech!“ und schmiegte sich an sie.

Die beiden lachten sich krumm – ein eingespieltes Doppel!
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